Wednesday, July 11, 2018

Richard Ford - Zwischen ihnen


Viel gelobtes Porträt seiner Eltern. sofort fällt die eigentümliche Distanz zwischen ihnen und dem Erzähler auf. Das liegt nicht alleine daran, dass der Vater Handlungsreisender ist und nur an den Wochenenden nach Hause kommt. Es liegt an dem seltsamen Charakter dieses Vaters, der ein Fremder in der Welt, in der Zeit ist. Fast mutet er einen wie ein Zombie oder Alien an. Freundlich und nicht unsympathisch, aber auch monströs.


Mit großer Zärtlichkeit schreibt Ford über Vater und Mutter. Dennoch haftet den beiden etwas seltsam Inkongruentes an, als lebte das Paar nach Maßstäben einer  anderen Welt, die sehr ähnlich, aber nicht ganz kompatibel mit der anderen, gebräuchlicheren sind: „Er kaufte mir mehr als einen Hund und mindestens drei Katzen, von denen eine bei einem Zurücksetzmanöver meiner Mutter in der Einfahrt unter die Räder kam.“

Sehr schön die Motivation für das kleine, aber nachhaltig wirkende Buch: „Ein Erinnerungsbuch zu schreiben und die Bedeutung eines anderen Menschen zu ermessen ist auch ein Versuch, dem gerecht zu werden, was sonst unbemerkt bliebe - dann der Erkenntnis, dass in uns allen Geheimnisse lagern und das innerhalb dieser Geheimnisse Qualitäten zu entdecken sind.“

Auch gibt es anlässlich dieser nachgetragenen Liebe viele kleine Erkenntnisse, die wie schöne Steine am Weg für sich stehen können: „Er war in vielerlei Hinsicht kein geschickter oder gewandter Mann, aber er hatte ein Talent dafür, sich lieben zu lassen - eine durchaus bemerkenswerte Tugend, von der man weitaus mehr hat als von vielen anderen.“

Von den Eltern erzählen, bedeutet immer auch, von ihrem Sterben zu erzählen. Das macht Ford sehr behutsam und genau. Das Schockartige des schnellen Sterbens des Vaters, mit dem unbeholfenen Beatmungsversuch, hyperrealistisch beschrieben. Das langsame, über sieben Jahre dauernde der Mutter. Als sich das baldige Ende abzeichnet, heißt es:

„Wir wussten beide, was diese Nachricht in ihrem Ausmaß bedeutete. Nämlich (…) die Beendigung einer langen Ungewissheit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nicht beide, jeder auf seine Weise, eine Erleichterung verspürten - als wäre eine müde alte Neugier befriedigt worden und jetzt kämen neue Neugierden ins Spiel. Mit der nahliegenden Frage - wie ernst ist das alles? - ist man schnell durch: Es entspricht den schlimmsten Befürchtungen. Aber diese Erleichterung ist ein seltsames und überhaupt nicht nachfliegendes Gefühl…“

Auffallend in diesem Buch ein paar sprachlich Ungenauigkeiten oder Ungelenkigkeiten, wie sie mir schon mal in einem anderen (auch von Frank Heibert übersetzten) Buch Fords aufgefallen sind. Einmal schreibt er: „…sie waren beide betrunken, obwohl ich damals noch gar nicht wusste, was betrunken war.“ Ein andermal: „…als ich acht war und meine Mandeln und Rachenmandeln am selben Tag herausgenommen bekam…“ Wo ist der Unterschied? Weiter, über den ungeschickten Vater heißt es, er „scheiterte daran, mir ein Korbbrett für Basketball aufzubauen.“ Einfacher und richtiger wäre wohl „ein Brett für den Basketball aufzuhängen.“

Aber das soll den Verdienst des Buches nicht schmälern. Ein kleines großes Buch, das mit seiner Reife, Ehrlichkeit und Erfahrung lange nachhallt.

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