Tuesday, September 22, 2009

Der Kaiser von China

Als Lesung. Irving'haftes Halbartistenmilieau, nur wie häufig in der deutschen Literatur künstlicher, maskierter. Einfall sehr frisch, alles sehr lebendig und mit dem Mut, aus dem Standard auszubrechen.

Updike - Glücklicher war ich nie

Der erste Band der frühen Erzählungen. Bis auf wenige Ausnahmen alle grandios. Bemerkenswert: Updike will die gesamten drei Bände, also zusätzlich zu diesem noch zwei weitere mit frühen Erzählungen, als eine Art Bildungsroman verstanden wissen.

In Glücklicher... dreht sich ein Großteil um die Kindheit und Jugend des Helden, der hier viele verschiedene Namen trägt, in Olinger, um eine Studienreise nach England und um seine Zeit in Harvard.

  • Der glückselige Mann von Boston, der Fingerhut meiner Großmutter und Fanning Island - poetische Beschwörungen am Rande zur Lyrik. Keine Handlung und Beschreibung von Stimmungsbildern. Teilweise pathetisch
  • Das luzide Auge in der Silberstadt - Porträt des Vaters (des Zentauren), ebenso wie Heim u.a.
  • Flügge- wiederkehrendes Motiv der im letzten Augenblick doch noch erlebten kleinen Liebe

Das ist alles so gut, Updike braucht nie den großen Stoff, der würde eher stören. Das Normale, das nunc stans, minimale Bewegungen sind mehr als genug für ihn. Es bringt es zum leuchten aus sich heraus.


Sunday, September 13, 2009

Einige Erzählungen von Tolstoi und Updike

Vom unendlichen Spaß brauche ich Pausen, Abwechslung und viele davon. Da passen am besten die langen Kurzgeschichten dazwischen, die man früher Erzählungen genannt hat. Zum Beispiel Tolstoi.

Hadschi Murat - würde bei deutschen Autoren heute durchaus als Roman durchgehen. Die Erzählung offenbart, wie unglaublich gut dieser Mann erzählen konnte. Lauter kleine Kapitel, die sich kurz in den Tag einer Figur blenden, angefangen beim Tartarten-Überläufer über den gemeinen Gefreiten auf der Krim bis hin zum Zaren. Details und Alltägliches schmiegen sich so leicht und passgenau in den Ablauf, dass eine Art ökonomischer Realismus entsteht, den nicht einmal der Film erreichen kann. Großartig.

Der Teufel - auch klasse, wenn auch nicht so breitpalettig, wie Hadschi Murat. Allerdings ist uns diese Art von Moralismus heute nicht mehr so nah. Auch schnurrt die Geschichte nicht ganz so schön ab, wie der Murat (z.B. ist die Ehefrau des Helden auf der Strecke geblieben).

Und dann auch wieder Updike. Er gehört zu jenen, zu denen J.L. mehrmals im Jahr ein großer Hunger erfasst (die anderen sind Th. Mann, Shakespeare, Hemingway, Stephen King).

Taubenfeder - da hat mich die relegiöse Wende am Ende nicht ganz überzeugt. Das konnte er manchmal nicht lassen. Hemingway - der so etwas nie geschrieben hätte, jedenfalls nicht so - hätte den letzten Satz gestrichen.

Die christlichen Mitstudenten - hat auch einen religiösen Touch, zeigt aber sehr schön in nuce jene sonderbaren Formen von Kurzbeziehungen, die einem das Leben manchmal aufnötigt und vor denen man dann ein wenig hilflos wird und die einen unangenehme Seiten in einem selbst entdecken lassen.

Ace ist Trumpf - die erste Updike-Erzählung. Hat mich kalt gelassen. Mn muss ja nicht alles kaufen, es gibt so viel von ihm. Wenn auch nicht unendlich viel. Das leider nicht.

Freunde aus Philadelphia - sehr hübsch pointiert.

Ich glaube, Updike war der größte Autor zu meinen Lebzeiten. Die Amerikaner stellen Roth ja manchmal ein bisschen weiter nach vorne. Ich mag ihn auch, aber Roth hat einfach nicht diesen unglaublich aufmerksamen Blick auf die Welt.

Hörte bei Joggen soeben übrigens die sehr schon Gedenkfeier in New York. Was muss das für ein toller Mensch gewesen sein.

Er hätte sicher noch gerne weiter gelebt.

Zurück zum unendlichen Spaß.

Die Romantik - Rüdiger Safranski

In der Hörfassung von Audible, vor allem gehört auf Bergwanderungen durch die Wildschönau.

Ich fand es tröstlich, so viel gutes über die Romantik zu hören, ist sie doch in den letzten Jahrzehnten ziemlich unter die Räder gekommen. Zu Unrecht: In ihr gibt es lauter Perlen von Ideen, die das Dasein auf diesem so smart gewordenen Planeten bereichern.

Wie diese Quintessenz der Romantik von Novalis, diesen Evergreen alles Romantischen:

Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.
Dem Gemeinen einen hohen Sinn geben, dem gemeinen Gang zur Arbeit, den gemeinen Gesichtern im Pendlerzug, den gemeinen E-Mails im Postfach mit den gemeinen Aufgaben für den gemeinen Tag - das Bedarf geübtem Phantasie-Scretchings. Was denkt die gemeine, nicht mehr ganz junge Frau gegenüber wirklich und wovon träumt sie mit dem halbgeöffneten Schlafmund? Und wie wäre es, wenn sie eine Widergängerin einer Mutter, einer Braut, einer Ehefrau wäre, die einmal im Schatten einer Wolkenstein'schen Burg einen ähnlichen Traum nachging - oder sogar einem identischen?

Klar, ist die Romantik immer nahe am Kitsch und am Sentimentalen - und was anderes ist die Aufforderung von Novalis. Aber es müssen ja gar keine Postkarten sein. Selbst die Warenwelt mit ihren Magazinen und Werbespotts ist heute voller - ja: romantischer - Hinterhöfe, Schrott und grauem Wetter.

Freilich, manchmal ist man zu müde, sind die Fensterläden der Imagination so völlig vernagelt, dass es einfach nicht geht - das romantisieren. Auch das hat die Romantik aufgenommen - in Form von Weltschmerz und Langeweile.

Fazit: Die Romantik ist nicht irgendeine Epoche, sondern sie zählt zur psychischen Disposition eines entwickelten Bewusstseins. Nur weiß dieses manchmal nichts davon. Oder hat es vergessen. Es ist Safranski zu danken, dass er dem in seinem Buch gegensteuert.