Saturday, December 31, 2011

Ortheil - Die geheimen Stunden der Nacht

Netter Roman über das Verlags-Milieu. Ortheil ist ein sehr sauberer, "klassischer" Stilist. Das Thema: Wer wird der Nachfolger des Super-Verlegers? Entscheidung wie bei Isaak: Welcher der Söhne kocht das beste Linsengericht bzw. macht das beste Europa-Projekt.

Gut: Sprache, Stimmungen
Naja: Der Plot. Wenn es nur eine atemberaubende Frau im Roman gibt, ist es nicht sehr überraschend, dass die neue Geliebte des Sohnes die alte seines Vaters ist. Schön allerdings, dass er der Nachfolger wird. Man erwartet bei so einem Buch natürlich, dass der Held am Ende leer ausgeht.

Sunday, December 25, 2011

Flashback - Dan Simmons

Scifi-Thriller von Dan Simmons. Flashback ist die Droge, durch die in der Zukunft die Japaner die Amerikaner einschläfern, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Genau.

Wie kann ein Autor, der so brillante Bücher wie Drood und Terror geschrieben hat, so einen Mist abliefern: Die westliche Welt ist hin, das arabische Kalifat breitet sich unaufhaltsam aus. Europa und Amerika sind an ihren teuren Sozialsystemen verhungert. Israel wurde von den Iranern pulverisiert. Nur die Japaner haben noch genug Mumm im Leib, um die Welt mit mittelalterlichen Mitteln zusammenzuhalten. Und vieles mehr. Los ging der ganze Mist mit der Wahl Obamas.

Ohne Worte.

Wednesday, December 14, 2011

Charles Dickens - David Copperfield

Eines der Basisbücher der Literatur. Dickens hat es ganz, das Erzähler-Gen. Wie kaum ein anderer lässt er die Bilder leuchten.

Übrigens erinnert der Stil stark an Thomas Mann. Leitmotivik, Ironie, Bürgertum.

Die souveräne Leserin - Alan Bennett

Charmantes Kabinettstück aus der Rubrik Literatur-Literatur: Lesen befreit und weitet die Weltsicht. Lesen ist aber noch nicht Handeln. Erst Schreiben ist Tun.

Tuesday, November 29, 2011

Thursday, November 24, 2011

G. K. Chesterton - Über Charles Dickens

Zur Einstimmung für die Dickens-Lektüre, die ich mir schon lange vorgenommen habe.

Erstaunt, wieviel Chesterton über Dickens zu schreiben weiß. Angeregt von der dialektischen, an der klassischen Rhetorik geschulten Denkart.

Saturday, November 19, 2011

Heinrich Steinfest - Gewitter über Pluto

Hin und wieder einen Heinrich Steinfest. Wie einen guten Wein, der den Leser dann, im Ohrensessel sitzend, mit seinem Gewicht überrascht. Musil auf Krimi. So auch Gewitter über Pluto.

Zehn Gründe, warum man Steinfest lesen sollte:

  1. Spiellust. Stell dir zwei, drei Abstrusitäten vor und lass sie im Roman dann aufeinander los.
  2. Gedankenranken. Es lohnt sich tatsächlich, über so gut wie alles nachzudenken. Und sich davon überraschen zu lassen.
  3. Weil man sieht, was aus Musil hätte werden können.
  4. Weil man Lust auf so was wie Musil bekommt.
  5. Weil man dieser Lust nicht nachgeben muss. Besser liest man einen anderen Heinrich Steinfest.
  6. Weil er aus der Alltagswelt einen Abenteuerspielplatz zu machen versteht.
  7. Wegen des Interieurs. Immer gibt es Herrenabende bei Gespräch und Getränk.
  8. Der Metaphernwut. Der Manie, an alles noch ein Bildchen zu hängen.
  9. Des Trotzes gegen politische Korrektheit. Dabei weiter weg von Chauvinismus, als der Pluto vom Stuttgarter Hauptbahnhof.
  10. Wegen des unaufgeregt Phantastischen.





Poetiken 1: Umberto Eco - Der Friedhof von Prag

Eco-Bücher sind ja immer ein Ereignis.
Jedenfalls, was die öffentliche Aufmerksamkeit betrifft.
Umberto Eco ist der Vertreter eines intellektuellen (?), historischen Romans. So auch der Friedhof von Prag.

Wie unterscheidet sich der intellektuelle (?), historische Roman von einem Bernard Cornwell-Roman? Eco verzichtet auf Elemente, die den eigentlichen Reiz von Abenteuerromanen - und das sind historische Romane ihrem Wesen nach - ausmachen: Spannung, Schildwälle, Heroen, Prinzessinnen und Drachen.

Bei Cornwell & Co gibt es Cinemascope. Bei Eco gibt es Schwarten. Bei Cornwell riecht es nach Eisen, Braten und Blut. Bei Eco nach Staub und Papier. Bei Cornwell gibt es klare Projekte mit Anfang und blutigem Ende. Bei Eco gibt es Ausschweifungen ohne Ende. Bei Cornwell ist die Verschwörung ein Treibmittel unter mehreren. Bei Eco ist alles Verschwörung.

Und bei Eco gibt es etwas, was es bei Cornwell nie gibt: Wüsten der Langeweile und Plotelemente, die nach durchgelaufenen Reisestiefeln des späten 18. Jahrhunderts müffeln.

Ich habe erst ein Eco-Buch mit Vergnügen gelesen und das war sein Gassenhauer Der Name der Rose. Einige habe ich angefangen, aber verworfen. Baudolino habe ich durchgezogen, war dabei aber sehr gequält. Der Friedhof von Prag war da etwas besser. Aber richtig gut war er auch nicht. Warum?

  • wegen Ecos Zitierwut, statt Fabulierlust
  • wegen seiner buchstaubinduzierten Handlungspneumonie
  • wegen der lästigen Modeerscheinung, den Geschichten Kochrezepte - gleichsam als Mehrwert - beizumengen.

Ich würde mal sagen, dass das vorerst der letzte Umberto Eco für mich war. Und komme damit - etwas spät - auf die Linie von Wolfgang Tischer und Jurek Becker. Die Lebenszeit ist zu kurz.

Monday, November 07, 2011

Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär - Walter Moers

Liebenswerte Phantasie über die Abenteuer eines phantastischen Wesens in einet phantastischen Welt. Stark in der Ausgestaltung, sichere Spannungsbögen. Ganz und gar eigene Welt, nichts Vergleichbares. Inbegriff naiver, reiner Kreativität.

Saturday, October 29, 2011

Melinda Nadj Abonji - Tauben fliegen auf

Die Vojvodina [ˈvɔjvɔdina] (kyrillisch Војводина; deutsch auch Wojwodina oder Woiwodina; ungarisch: Vajdaság) ist eine autonome Provinz in der Republik Serbien. Sie macht den Landesteil nördlich der Save und Donau aus, dessen administrative Grenze vom Westen her überwiegend an der Save entlang (am Bezirk Belgrad mit einem Bogen Richtung Norden) und weiter in Richtung Osten zur rumänischen Grenze überwiegend an der Donau entlang verläuft. Die Provinzhauptstadt ist Novi Sad.
Aus der Vojvodina stammen die Schriftsteller:
Alexander Tisma
Otto Tolnai

Und die 1968 geborene Schweizerin Melinda Nadj Abonji. In "Tauben fliegen auf" geht es um das Leben zwischen zwei Welten.

Darum geht es: Es ist ein schokoladenbrauner Chevrolet mit Schweizer Kennzeichen, mit dem sie zur allgemeinen Überraschung ins Dorf einfahren, und die Dorfstraße ist wirklich nicht gemacht für einen solchen Wagen. Sie, das ist die Familie Kocsis, und das Dorf liegt in der Vojvodina im Norden Serbiens, dort, wo die ungarische Minderheit lebt, zu der auch diese Familie gehört.
Oder, richtiger, gehörte. Denn sie sind vor etlichen Jahren schon ausgewandert in die Schweiz, erst der Vater und dann, sobald es erlaubt war, auch die Mutter mit den beiden Töchtern, Nomi und Ildiko, und Ildiko ist es, die das hier alles erzählt. So auch den Besuch im Dorf, der dann nicht der einzige bleibt, Hochzeiten und Tod rufen sie jedesmal wieder zurück ins Dorf, wo Mamika und all die anderen Verwandten leben, solange sie leben.
Zuhause ist die Familie Kocsis also in der Schweiz, aber es ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und obwohl die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter, Ildiko vor allem, sie sind zwar dort angekommen, aber nicht immer angenommen. Es genügt schon, den Streitigkeiten ihrer Angestellten aus den verschiedenen ehemals jugoslawischen Republiken zuzuhören, um sich nicht mehr zu wundern über ein seltsames Europa, das einander nicht wahrnehmen will. Bleiben da wirklich nur die Liebe und der Rückzug ins angeblich private Leben?

So ungefähr.

Ein gutes Buch, ein bewegendes Buch. Die Sprache ist melodisch, rhythmisch, wie man sagt, mit langen Perioden und Wortwiederholungen. Die Motive kreisen Familie, Liebe, Krieg und das Leben in der Fremde.

Das Buch macht fühlbar, was das ist, Heimat. Wohlstand und Status haben damit nichts zu tun. Es sind die Menschen, die Tiere, die täglichen Wege, die Bäume, die Straßen, die Landschaft. Heimat ist das, was weh tut, wenn man daran denkt.

Monday, October 24, 2011

Margret de Moor - Der Maler und das Mädchen

Sehr schöner historischer Roman. Die Vitalität, das Gemäldehafte, die Landschaften, die Melancholie, das Staunen über die Schönheit des Lebens und dessen Ende. Die Bitterkeit.

Wednesday, October 19, 2011

Stark - The Dark Half - Stephen King

Neulektüre nach gut 20 Jahren. Diesmal im Original. Besser noch, als ich mich daran erinnere. Trotz der Länge eines von Kings kompakten Kammerspielen.

Schriftsteller gebiert geisterhaften Pseudonymzwilling und lässt diesen erfolgreiche Krimis schreiben. Als er den Doppelgänger symbolisch begraben will, kehrt der wieder, mordet und droht, die Herrschaft über das Doppel-Ich zu übernehmen. Einige Millionen Sperlinge bringen die Rettung.

Alles natürlich sehr poetologisch und autobiografisch natürlich. Einige Schwächen (die Beweislage gegen Thad Beaumont, die Telefoniererei, die Sperlingskiste, das Wühlen im Gedärm). Aber: immer noch frisches Leseerlebnis.

Der Film ist auch ganz in Ordnung.

Die Kunst des Erzählens - James Woods

Gutes, erhellendes Buch über das Geschichtenmachen und -lesen.

Wednesday, October 05, 2011

Christine - Stephen King

Gehe sie alle wieder durch, die King-Leseerlebnisse. Diesmal als Audible-Hörbuch.

Erinnere mich noch an die zwei, drei Tage, an denen ich das Buch vor 25 Jahren gefressen habe. Kein anderes Buch hat meinem Alter, dem Sound meines Alters so entsprochen, wie Christine.

Und es hat kaum etwas von seiner Frische eingebüßt. Sicherlich eines der besten Bücher Kings. Nirgends ist er besser, als im Erzählen von Freundschaften der Jugend.

Die Geschichte ist eine klassischer Teufelspaktplott: Junge verkauft seine Seele für eine Auto, das ihm Schönheit, Ansehen, Freiheit, Liebe bringt. Doch wie immer wendet sich der Pakt gegen den Nutznieser.

Als nächstes Stark.

Wednesday, September 21, 2011

In Thin Air - John Krakauer

Das packendste Buch in diesem Jahr vielleicht. Liegt am Stoff natürlich, was kann es pannenderes geben, als die Besteigung des Dachs der Welt. Würde das auch als Roman funktionieren?

Dachte an David Shields. Ganz in seiner Poetik.

Gedanke: Wie wäre es, diese Authentizität in einen fiktiven Werk zu imitieren? Und das vielleicht mit einen phantastischem Stoff. Hm.

Saturday, September 10, 2011

Open City - Teju Cole

Ich sah auf Kulturzeit einen Film über Teju Cole. Er lief durch New York und fotographierte wie blöd mit einer schönen alten, analogen Leica. Dabei erzählte er von seinen Wanderungen durch die Stadt und die unterschiedlichen Perspektiven, die sich ihm boten und den Menschen, die er sah und den Entdeckungen, die er machte. Zum Beispiel machte er darauf aufmerksam, dass der Central Park eine Art Neandertal der Sklaven ist, in dem vor kurzem tatsächlich auch geologische Ausgrabungen stattgefunden hatten, sich aber niemand wirklich dafür interessiere und der Ort der Vergessenheit so der Vergessenheit anheimfiel. Wie überhaupt so vieles ohne Gedächtnis war, ganz einfach, weil es kein Bauwerk gab, das an die Ereignisse erinnerte. Ich glaube, der Beitrag handelte allgemein von 9/11 und gar nicht so sehr von seinem Buch Open City und irgendwie war was er sagte ein Kommentar zum 10. Jahrestag der Ereignisse. Etwas gefiel mir an dem Beitrag. Ich weiß nicht, ob es das Motiv des Flanierens war oder die Ansichten des jungen Schwarzen oder auch nur die Stadt selbst und die Art und Weise, wie er sich durch sie bewegte und wie er sie sah.

Ich lud mir einen Auszug auf mein Kindle - übrigens noch in der selben Stunde, in der ich Jon Krakauers Into thin Air beendet hatte, das aufregenste und aufwühlenste Buch, das ich bis dato in diesem Jahr gelesen hatte.

Und gleich das erste Kapitel nahm mich gefangen. Die Beschäftigungen des einsamen Flaneurs waren mir vertraut: lange, ziellose Spaziergänge, lautes Lesen im Zimmer, Klassikradio, die Stimmen der Sprecher in der Nacht, Mahler, Gedichte auswendig lernen und vieles mehr.

Dann der Sebald-Ton, der Verzicht auf Plot, die lyrischen Essays, das Authentisch-Tagebuchhafte, der in die Prosa übergehende Rhythmus des Gehens durch Stadt und Geschichte - all das genau mein Blues.

Friday, September 09, 2011

Murakami 1Q84

Mein erster langer Murakami. Eine der besseren Lektüren dieses Jahr bis jetzt. Sehr fesselndes Buch.

Murakami hat eine ganz eigene Art die Sache anzugehen. Sehr handwerklich, sehr klar und auf ein Ziel gerichtet.

Ein Mann und eine Frau sind durch ein Ereignis in der Kindheit miteinander verbunden. Seither haben sie sich nicht mehr gesehen. Im Roman steuern sie aufeinander zu.

Was meine Bewunderung erregt, ist die Klarheit und geradezu klassische Komposition des Buches. Diesem Aufbau schein alles untergeordnet zu sein, auch der Stil. Dieser drängt sich nirgends auf, ja, es wirkt geradezu, als legte sich Murakami hier ganz bewusst äußerste Zurückhaltung auf. Ich glaube, dass das Absicht ist und dass sich hinter dieser Zurückhaltung ein großes künstlerisches Können verbirgt.

Erstmals aus dem Japanischen
Murakamis Bücher sind bislang immer aus dem Englischen übersetzt worden. Das hatte mich immer misstrauisch gemacht. Dies ist wohl das erste, das direkt aus dem Japanischen übertragen wurde. Ich denke, dass man Murakami so besser gerecht wird.

1Q84 scheint erst der Auftakt zu einer mehrbändigen Sache zu sein. Werde dran bleiben.


Monday, August 22, 2011

Monday, June 27, 2011

Der See - Gerhard Roth

Ein Pharmavertreter folgt einer Einladung seines Vaters für eine Angelpartie auf dem Neustädter See. Sie haben sich seit einem Menschenleben nicht mehr gesehen. Als er ankommt, ist der Vater verschwunden. Leichenteile treiben ans Ufer, Eck wird verdächtigt.

Alles ganz im Kahlschlag-Existenzialismus-Stil. Atmosphäre kaum erträglich. Alles spröde und gedankenleer. Will wohl ein Krimi sein. Plot dafür sehr dürr. Charaktere auch langweilig. Was soll das eigentlich? Mag diese Art reduzierter Literatur gar nicht mehr lesen.

Thursday, June 02, 2011

Reality Hunger - David Shields

1

Shields Gedanke: Wir wollen heute nur noch wirklichkeitsbasierte Literatur lesen. Damit meint er eine Mischform aus fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten. Der Plot ist Nebensache, ja, er stört eigentlich das, wonach wir wirklich hungern: authentisches Material. Es geht also weniger um die Beschwörung einer Illusion (Flughafen-Bücher), sondern um Erkenntnis und kitzliges Wiedererkennen des Eigenen im Fremden.

So ist auch das Buch selbst gestrickt: Über 500 kurze Absätze mit Reflexionen, Listen, Sprüchen, erzählerischen Einschüben.

Und eigentlich unterscheidet sich der Haupttext kaum vom Quellen-Anhang, der sich liest, wie ein Abschnitt-Original-Shield:

Roland Barthes, Walter Benjamin, Friedrich Nietzsche, Goethe, J.M. Coetzee, Alain Robbe-Grillet, Herman Melville, Picasso, Jonathan Lethem, Cicero, Hemingway, Bob Dylan, Dave Eggers, Vladimir Nabokov, T.S. Eliot, W.G. Sebald, Ralph Waldo Emerson, Nicolson Baker, Charlie Parker, Theodor W. Adorno, Sören Kierkegaard, John Keats, Michel Montaigne, Michel Leiris, Sonny Rollins, Jorge Luis Borges…

2

Warum habe ich so schnell zugeschlagen und mir das Buch gleich am Abend gekauft? Weil ich da wohl eine Bestätigung gesehen habe. Ja, es stimmt, wenn ein Roman so richtig overtürenhaft anhebt, kann es sein, dass sich mit Sterbensmüdigkeit reagiere.

3

Angetan von der "Lesbarkeit" des Formats. Kurze durchnummerierte Abschnitte. Nur die verhältnismäßige Kürze scheint überhaupt noch lesbar. Ein Grauen vor den Textblöcken, in denen man ersäuft. Aber auch Resepekt. Sie spiegeln einem Unendliches vor. Und im Unendlichen erwarten wir Tiefe. Und in der Tiefe "wahre" Erkenntnis.

4

Ich betrachte jede Kunst als im Wesentlichen dokumentarisch. Alles ist immer schon erfunden; wir artikulieren, arrangieren lediglich. (201)

So auch der Doktor Faustus. Obwohl deutlich die fiktionale Formung allgegenwärtig. Maskenhaft? Am Rande des Funktionierens jedenfalls.

5

Vom Nutzer generierter Inhalt ist die neue Volkskunst.

6

Plots sind was für Tote. Technologien wie IBMs Watson machen deutlich, dass man so etwas in vielleicht nicht all zu ferner Zukunft auch maschinell herstellen kann. Prinzipiell tut man das ja schon. Story-Engineering lautet der Titel eines entsprechenden "Manuals" zur Herstellung von Geschichten.

7

Konnte das Buch nicht weglegen. Nach der Lektüre habe ich von vorne angefangen. Warum? Weil ich das Gefühl habe, dass da noch mehr Substanz ist, die ich noch nicht ausgeschöpft habe. Und für die es sich lohnt noch mal zurückzukommen.

8

Ist es richtig, der Gebrauchsanweisung des Buches zu folgen und den Anhang mit den Literaturangaben abzuschneiden? Warum eigentlich? Warum soll man nicht wissen, von wem es kommt? Die Literatur im Netz verweist doch auch mit Hyperlinks auf die Quellen der Gedanken. Es geht dabei weniger um Urheberrechte etc. pp. Sondern um die Möglichkeit, das gedankliche Netzwerk weiterknüpfen zu können. Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht, das zu lesen.

Ein geschickter Schachzug wäre es gewesen, die komplette Liste unkommentiert, als Fließtext als letztes Kapitel in den Gesamtkorpus aufzunehmen.

9

Ein recht sympathisches Porträt, wie ich finde. Täusche ich mich oder gibt es eine winzige Ähnlichkeit zu Handke im Sprachduktus? Oder liegt das an den Überbleibseln des kindlichen Stotterns?


10

Hörte von dem Buch zum ersten Mal in einer Diwan-Besprechung. Das war auf einer kleinen, sommerlichen Radtour zum Geburtstag meines Schwagers. Ich dachte noch unterwegs: Das will ich lesen. Hier wird vielleicht ein Weg aufgezeigt, auf den auch ich gerne weiter wandern würde. Die Sterbenslangeweile, die mich manchmal beim Lesen der ersten Sätze neuer Romane ergreift, die Bemühtheit, die Durchschaubarkeit, das Verschwinden von Spaß, Spiel und Reizen aus manchen Büchern - für all diese Erfahrungen schien hier eine Erklärung. Als ich wieder zuhause war, habe ich sofort meinen Rechner angeworfen und geschaut, ob es als eBook verfügbar war. Und das war der Fall. Also geladen und schon konnte es losgehen. Ein Hoch auf das E-Reading.




Wilhelm Meister - J.W.Goethe

Im vierten oder fünften Anlauf endlich. Als eBook. Nietzsche sagt etwas in der Richtung, dass sich hier Bestes mit Lächerlichem grandios vermischt. Tatsächlich wirkt Meister unglaublich naiv und ungeschickt, manchmal geradezu plump gezeichnet.

Es gibt einige sehr schöne Ezählpassagen, etwa wenn Meister anfangs vor der Wohnung seiner Mariane herumschmachtet, während sich drinnen Liebhaber Nummer 1 zu schaffen macht. Da wechselt mit Gesprächen, in dem es viel Gescheites aber auch sehr viel Langweiliges zu hören gibt. Einiges ist auch genuin skuril: Mignon und Harfner wirkten manchmal geradezu kafkaesk.

W.M. als Erzähl-"Werk": Flotte Handlungsmotive wechseln mit Essays (in Gesprächen), wobei letztere etwa die Hälfte oder etwas mehr ausmachen. Es gibt eingesprengte Episoden anderer, insgesamt alles hybridisch-modern.

Und dann wieder altbacken und pseudoromantisch. Das ganze Sterben, Versöhnen und Zusammenkommen am Schluss ist Krampf.


Ein Sommer, der bleibt - Peter Kurzeck

Literatur als mündliche Überlieferung. Dieses Buch ist eine echte Sensation. Da ist tatsächlich einer, der ganz ursprünglich erzählen kann. Er sitzt da und erzählt seine Kindheit und alles ist in so reichen Farben, so voller berückender Details - die Holzpferde, nachts auf dem Fenstersims, die Spuren auf dem Teufelsstein, die voll Wasser laufen, das Brausepulver, das in die Linien der Handfläche rinnt -, dass man im wahrsten Sinne des Wortes verzaubert ist.

Er spricht den Text mit ganz minimalen Abweichungen wie gedruckt. Dennoch ist der Unterschied zu einer echten Lesung beträchtlich: viel unangestrengter für beide, Leser wie Sprecher.

Wednesday, May 18, 2011

Uwe Timm - Der Freitisch

Schöne Novelle über zwei in die Jahre gekommene Männer, die sich nach Jahren zufällig wiedertreffen. Die verschiedenen Lebensläufe. Was aus den Vorstellungen der Jugend geblieben ist (gar nicht so wenig), wie sich das verwandelt und teilweise erhalten hat. Gar nicht pessimistisch, eher nüchtern, aufgeräumt, abgeklärt. Stark erzählt.

Immer skeptisch, wenn sich zwei Männer in einer Erzählung "nur unterhalten." Schlechtes Beispiel: Am Hang. Timm aber ein Meister. Jeder Satz ein Treffer.

Hermann Löhns - Der Wehrwolf: Eine Bauernchronik

Brutale Romanchronik über Bauern im dreißigjährigen Krieg. Partisanenromantik. Alles schlicht direkt, roh, urwüchsig. Gespickt mit derb-bildstarkem Dialekt. Barbarisches Buch über barbarische Zeit. Daher stimmig. SAg ich jetzt mal ohne Tendenzabsicherung.

Monday, May 09, 2011

Meister der Dämmerung

Handke-Biografie. Ganz interessant: Sein Jähzorn, seine Unbeherrschtheit und das Reflektieren darüber.
Aber zu langes Tiefenpsychologisieren am Anfang. Zu wenig auch übers Werk.
Plötzlich aus.

Die Stunde zwischen Hund und Wolf - Silke Scheuermann

angesichts der vielen enthusiastischen Rezensionen enttäuschend. Belanglose Schwestern-Geschichte mit der üblichen Rivalität und wenig Überraschungen. Würde mit keiner Figur ein Bier trinken wollen, lauter echauffierte, hysterische Typen. Ein paar nette Beobachtungen, die zu gut für die ganz und gar vorhersehbare Geschichte. Vielleicht unabhängig davon aus der Notizkladde genommen? Ebenso ein paar Dialogfetzen, die wie um des Effektes eingesetzt wirken. Keine Formale Innovation, nichts Neues. Letztlich kalt.

Friday, April 22, 2011

Die Villa am Rande der Zeit - Goran Petrovic

Student erhält ungewöhnliches Angebot: Er soll ein älteres Buch lektorieren. Bei der Lektüre findet er sich unversehens selbst mitten in dem Roman wieder und begegnet anderen Lesern. Prallelweltenliebeleien und Mordfälle.

Etwas im Stile von Der Schatten des Windes, nur fantastischer. Aber wie das so mit diesen Büchern ist: Hat man das Prinzip ein Mal erfasst, kommt schnell Langeweile auf.

Wednesday, April 06, 2011

Godfather - Drehbuch

Erste Drehbuchlektüre. Begeistert.

Möglich wird diese ungetrübte Lektüre einmal mehr durch das eBook.

Wölfe - Hilary Mantel

Tolle Charakterstudie, sehr dichte Atmosphäre.
Sah dazu die Tudors-Serie, die die perfekte Ausstattung dazu liefert.

Ein Buch sicherlich zum Wiederlesen.

(Fing es als Hardcover an, beendete es als eBook. Bin begeistert über meinen Reader.)

Friday, March 25, 2011

Wer hat Angst vor Stephen King - Uwe Anton

Ziemlich mauer Stephen King-Werksführer. Wollte damit meine Lücke zu Kings mittleren Jahren füllen. Festgestellt: scheinbar nicht viel verpasst.

Aber für wen ist das Buch eigentlich? Fans hat es nichts Neues zu berichten. Die anderen werden sich über die ganzen Spoiler ärgern.

Thommyknockers - Stephen King

Ich weiß nicht, warum ich mir eingebildet habe, gerade dieses Buch noch einmal zu lesen. Es waren wohl die beiden Hauptfiguren, Gardner und Bobby Anderson. Mariginal interessant die Kernkraft- und Kontaminierungsproblematik. Am Ende ziemlich verunglückt alles.

Friday, March 04, 2011

Die Arena - Stephen King

Die Arena - The Dome - ist das beste Stephen King-Buch, das ich seit Langem gelesen habe. Duma Key und Sunset waren ernüchternd. Lisey' Story war in Ordnung. Aber The Dome knüpft definitiv an die großen Epen It und The Stand an. Plastische Charaktäre und eine Geschichte, so dicht und zwingend wie eine griechische Tragödie. Das ist aller bester King.

In einigen Rezensionen wurde das politisch Lehrstückhafte des Romans moniert. Ich finde da gar nichts zu monieren. Hier ist einer der seltenen Fälle, wo das Politische und das Epische fast völlig deckungsgleich sind. Ich kenne keinen Roman, der den Zustand der Welt und die Ängste, die sie einem einjagt, so umfassend und schnörkellos in eine Geschichte gegossen hat. Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung, Bürgerengagement, Spielarten der Macht, alles kommt vor. Allein, wie das Thema Nachhaltigkeit durchgespielt wird, ohne, dass der Begriff ein einziges Mal fällt, ist bewunderungswürdig. Und das ohne Vorsatz. Einfach, weil es eine verdammt gute Geschichte ist.

Bei Audible.de gibt es die Hörbuchlesung von David Nathan. Die Fassung ist unbedingt empfehlenswert, einer der besten Leser derzeit überhaupt. Er schafft es, jeder der zahllosen Figuren eine eigene Stimme zu geben, ohne dass sich das Sprecherego unangenehm der eigenen Vorstellung aufdrängt. Und er liest mit sehr viel Gefühl für Stimmung und Tempo.

Die Arena zeigt: Stephen King läuft wieder zur Hochform auf. Man darf gespannt sein, auf seinen angekündigten Kennedy-Roman.

Friday, January 28, 2011

Der Master von Ballantrae


Roman von R.L. Stevenson in der sehr schönen Mare-Ausgabe.

Klassiker mit gelungener Variante des modernen Milton-Satans.

Zone

Erstes Buch.
Zone: Mittelmeer als Schauplatz von Krieg und Leid seit 2000 Jahren. Von Troja bis zu den Jugoslawienkriegen.

Betörend düsterer Bewusstseinsstrom eines modernen Kriegers.

Monday, January 10, 2011

Ein Kind - Thomas Bernhard

Einfach mal aus dem Regal gezogen. Dann mit Genuss gelesen. Es ist bei Bernhard einfach der Ton. Den kann man zwar nicht immer ertragen. Aber hin und wieder wirkt er wie ein reinigendes Bad.

Um was geht es: Ausschnitte einer Kindheit, teilweise satirisch. Viel Spießbürgerei, viel Abwatschen. Die starke Gegenfigur ist der schriftstellernde Großvater.

Man staunt über die Kargheit und Enge der Verhältnisse. Eine Kindheit in Armut. Dazu Bettnässerei, Mobbing, Unverständnis, Draußen-Stehen. Aus dem ganzen Ungemach blüht dann hin und wieder etwas auf: Eine Freundschaft, die Prinzipien des Großvaters, anderes.

Freu mich auf die anderen Bände der Autobiografie.

Sunday, January 09, 2011

Glister

Sehr schönes, düsteres Buch von Burnside. Allerdings bricht am Ende die Handlung zusammen. Trotzdem, werde alles von ihm lesen.