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Tuesday, March 03, 2009

Frau am Bahnsteig

Am Bahnsteig zur U1 steht manchmal diese Frau und liest Zeitung. Die Passanten machen einen Bogen um sie. Um sie herum hat sie eine Menge prall gefüllter, teilweise zerschlissener Plastiktüten versammelt, aus denen Papier und Stofffetzen hervorsprießen. Ihr schwarzes Haar ist völlig verfiltzt. Sie scheint kein Alter zu haben.
Ihre Haltung: Sie steht nicht in, sondern auf ihren Schuhen. Die Strümpfe sind fleckig und haben Löcher. Die Beine sind dünn wie Stelzen, die Fersen berühren einander, so dass ihre Beine wie ein Bein wirken.
Wie ein Kranich steht sie unbeweglich zwischen den sich bewegenden und von Gedanken bewegten Menschen und liest Zeitung.

Thursday, February 12, 2009

Classico Banalo

Heute im Hugendubel:
"Wissen Sie, wo eigentlich der Unterschied zwischen Faust I und Faust II ist?"
"Tut mir Leid, mit Faust habe ich mich nie beschäftigt. Der eine ist länger, würd ich sagen."
"Wirklich, tolle Dialoge, sollten Sie mal lesen. Aber sagen Sie mal: Wer hat denn jetzt eigentlich den Erlkönig geschrieben?"
"Puh, da muss ich Ihnen leider sagen, das ist nicht so mein Schwerpunktgebiet."
"Ich würde nur gerne wissen, ob es den auch als Reclam-Heftchen gibt. Eventuell auch als Prosa, wenn es sein muss."
"Da bin ich jetzt überfragt."

Leise und errötend flüchtet sich der zufällige Passant aus der Buchhandlung.

Thursday, February 05, 2009

Herde bei Eichenau

Dank eines Selbstmörders machen wir heute Bekanntschaft mit Eichenau. Eichenau Nord. Der Ortsname klingt nach einer alten KZ-Stätte.
Hier gibt es nichts. Nur Parkplätze für Pendler wie wir.
Derzeit ist der Schienenverkehr zwischen Fürstenfeldbruck und Passing gesperrt. Es herrscht Schienenersatzverkehr.
Der Schienenersatzverkehr besteht aus drei Bussen, die im Abstand von halben Stunden anzuckeln. Drinnen kleben die Pendler, die sie an den Stationen vor Eichenau eingepackt haben, wie Insekten an den Scheiben. Jeder Bus wird von hundertstimmigen Gelächter empfangen. Keine Chance, der Schienenersatzverkehr ist eine Niete.
Es ist kalt. Nach zwei Stunden noch kälter.
Die Gelegenheit wäre günstig, aber wir wollen nichts wissen über Eichenau. Oder Olching, wohin sich einige Verzweifelte fahren lassen, nur um irgendwie weiter zu kommen.
Mobiltelefone klingeln, Bahnentschuldigungen werden repetiert. Jaja, ist schon gut.
Auf der Glasabdeckung der Haltestelle entdeckt jemand einen Fußball, aber niemand klettert hinauf, um ihn zu holen. So fällt auch die erste Fußballpendlermeisterschaft aus.
Eichenau bringt es einfach nicht.
Irgendwann steht dann doch auf der Anzeigetafel, dass die nächste S-Bahn in sieben Minuten kommt. Als ob nichts passiert wäre.
Irgendwo weiter vorne tragen sie jetzt wahrscheinlich eine Zinkwanne weg. Ein Lokführer wird beim psychosozialen Dienst angemeldet. Für heute hat er frei.
Wir nicht. Der Zug kommt tatsächlich. Wir zwängen uns hinein.
Wir sind die Herde.

Wednesday, February 04, 2009

Gott nervt in der Zigarettenpause

Diese noch, denkt er sich, als er die Zigarette anzündet. Da steht er dann mit den anderen Verbannten. (Wenigstens weiß er jetzt, wo er hin gehört.)

Eine Frau schleicht sich an ihn heran und hält ihn ein Heftchen unter die Nase. Darauf zu sehen: Ein gemalter Turm im Hintergrund, vorne ein ein blondes Jüngelchen, den Arm um die Mähne eines Löwen geschlungen. Blonde Bestie, denkt er.

"Ich würde gerne mit Ihnen über Gott reden."

"Danke, nein."

Er wirft die Kippe weg und hat es auf einmal eilig, muss zum Zug, zum Abendessen, zu Frau und Kind, zu den E-Mails, die inzwischen angekommen sind. Von Gott wird keines dabei sein, da ist er sicher.

Eines weniger, das er abarbeiten muss.