Tuesday, December 31, 2013

Monika Maron - Ach Glück

Eheroman, sie verlässt ihn, weil sie sich vernachlässigt fühlt, irgendein Russe hat ihr zuvor tief in die Augen geschaut und damit wohl jene Sehnsucht geweckt, die Frauen in schmuddelige Hotelzimmer treibt, unter Züge zieht oder plötzlich nach Mexiko losfliegen lässt, um da jemanden zu besuchen, den man gar nicht kennt. Die Geschichte ist relativ uninteressant, aber der Ton sitzt, die Sprache ist gut, es gibt etwas zu entdecken.

Haruki Murakami - 1Q84

Im dritten Teil von 1Q84 taumeln Aomame und Tengo gleichsam in Zeitlupentempo aufeinander zu. Hatte die seltsamen Bezüge von Band 1 & 2 schon vergessen: Little People, Leader, Mother & Daughter usw. Alles eigentlich ein ziemlicher Schmarrn, wenn man ehrlich ist und ich muss zugeben, dass ich mehr als einmal eingenickt bin. Warum haben die beiden sich nicht gleich am Ende von Band 2 kriegen können? Ein Epilog hätte es da auch getan. Gut immerhin Murakamis klarer, karger Stil. Manchmal kann der geradezu pedantisch werden, etwa wenn er wie in einem Polizeibericht immer die genaue Uhrzeit erwähnt, zu der einer in seinem Zimmer sitzt und nichts tut. Alles sympathisch, und auch irgendwie langsam, fast schon meditativ. Wenn man sich darauf einlässt, steckt das an, man geht anders durch den Tag, aufmerksamer.

Sunday, December 29, 2013

Stephen King - Doctor Sleep

Dan Torrance ist erwachsen, das Shining ist stark in ihm, er hilft Todkranken beim Sterben, wird dank der AA trocken, lernt Ebra kennen, in der das Shining noch stärker ist und auf die es die Rentner-Zombies vom "Wahren Knoten" abgesehen haben. Skuriler umständlicher Endkampf, wie er für King typisch ist. Ansonsten wieder interessante Figuren, seine große Stärke. Und wie immer lässt der Meister sich Zeit, ehe es los geht, aber das ist in Ordnung, schließlich liest man ihn nicht wegen der Monster. Außerdem: Im Vergleich zu den Ziegelsteinen Attentat und Dome ist Doctor Sleep geradezu schlank. Lesung von David Nathan auch sehr gut - und ohne die dilettantischen Schnittpausen wie beim Todesmarsch.

Bernard Cornell - Der weiße Reiter

Markiges Mittelalterpanorama im gewohnten Cornwell-Stil: ohne sentimentalen Schnörkel, Genauigkeit im Waffengang, Schildwälle, Geländeschauen, Kundschafterei, Gottesgerichte, Zweikämpfe, raue Liebschaften, etwas Magie, etc. pp. Ein Ende nicht absehbar, man sieht sich im nächsten Band.

Wolfgang Herrndorf - Arbeit und Struktur

Krebstagebuch, Lektion in Sachen "Sterben lernen" von einem souveränen Geist - lässt einen mehr als einmal laut auflachen, trotzallem.

Monday, December 09, 2013

Marion Poschmann - Die Sonnenposition

Zugegeben: Etwas enttäuscht.  Sprachlich sicher sehr fein, geradezu ziseliert. Aber die Beschreibung hängt dann oft einfach nur so herum, wie Gestrüpp, das zu durchlaufen doch sehr ermüdet. Die Handlung ist so "na und?", die Charaktere nerven, vor allem dieser eitle Odilio, den wir wohl bewundern sollen, es wird etwas getoniokrögert, aber auch nur halbherzig. Alles in allem ziemlich langweilig.

Sunday, December 08, 2013

Thomas C Fost - How to read literature like a professor

Interessante und sehr nützliche Hinweise, wie man die Tiefenschichten von literarischen Werken ausloten kann. Akademisches sehr eingängig rübergebracht.  Für Studenten sehr zu empfehlen.

Thursday, December 05, 2013

Mariaschwarz - Heinrich Steinfest

Jährlich mindestens einen Steinfest, sonst fehlt etwas, im Lesejahr. Mariaschwarz ist einer dieser typischen
barocken Story-Späße, in die Heinrich Steinfest seine hinreißenden Figuren stellt und Musil-geschulten Aphorismen und Mini-Essays flechtet.

Die Handlung zu rekapitulieren bringt nicht viel, sie spielt hauptsächlich in einem österreichischen Bergkaff mit unergründlich tiefem See, mafia-durchsetzter Leichtindustrie und einer Handvoll verkrachter Existenzen. Erst geht es um ein entführtes Mädchen, dann um die Vollständigkeit eines Kunststoffspielfigurensatzes. Zunächst trägt ein ehemaliger Finanzmann und leicht wahnhafter Alleintrinker das Geschehen, der in Hiltroff auf die Lösung seines Lebensrätsels wartet. Ab der Hälfte des Romans übernimmt ein anderer Held - Lukastik, inzestuöse Ermittlermaschine - die Führung durch das Plot-Dickicht und verfängt sich hoffnungslos.

Steinfest ist immer eine Lektüre Wert: Die Sprachbilder sind witzig und erhellend, erinnern fast an die Prosa von Heinrich Heine. Die Figuren sind interessanter, als die im richtigen Leben, die Reflexionen meistens überraschend, mit dem Absurden kokettierend. Alle Jahre gerne wieder.


Friday, November 29, 2013

Alwin - Friedrich de la Motte Fouque

Romantischer Roman mit Affären, Rittern, Sängern, Predigern, Eremiten etc. Stellen von betörender Schönheit, dann wieder blasse Lieder und geradezu Tom-und-Jerry-haftes Getümmel von lächerlicher Gespreiztheit. Die Sprache teils kräftig, teils grotesk anarchisch.

Wednesday, November 27, 2013

Stephen King - Todesmarsch

Eines seiner besten: Düstere Zukunftsvision, Amerika unter einer Militärdiktatur, 100 Jungen machen sich auf den jährlichen "langen Lauf". Einzige Regel: Wer stehen bleibt wird erschossen. Ganz groß ist King immer dann, wenn er jugendliche Protagonisten wählt und deren Freundschaften beschreibt. Das große Thema dieses Buches ist das Sterben und er hat es brillant und furchteinflößend durchexerziert.
(Passenderweise als Hörbuch beim Laufen gelesen).


Thursday, November 21, 2013

Selma Lagerlöf - Gösta Berling



Der Empfehlung aus Rolf Vollmanns Wundertruhe Die wunderbaren Falschmünzer einmal mehr gefolgt. Es ist schon erstaunlich, was sich dem Leser da für Kostbarkeiten immer wieder offenbaren (und schön ist es auch, dass sie alle jetzt über das Internet gleich zur Hand sind). Rolf Vollmanns Romanverführer und die Erfindung des E-Books, was für ein Segen für den besessenen Leser, der hungrig nach immer neuen Lesewelten strebt.

Gösta Berling von der Literaturnobelpreisträgerin Selma Lagelöf ist ein Roman in 36 Einzelepisoden, die mehr oder weniger miteinander verknüpft sind. Gösta ist ein Pfarrer, der aufgrund seiner Trunksucht geschasst wird und als Bettler durch die Gegend zieht. Eine Gutsbesitzerin - die Majorin - nimmt ihn in ihren Kavaliersflügel auf - ein Teil ihres Gutes, auf dem bereits eine Reihe weiterer schräger Gestalten Obdach gefunden hat und die Gegend mit Streichen und Feten beleben. Verführt durch einen Teufelspakt verbannen die Kavaliere zu Beginn des Romans die Majorin und übernehmen selbst die Herrschaft über die Gegend. Es beginnt das Jahr der Kavaliere, in dessen Verlauf Land und Leute zwar viel feiern, moralisch und wirtschaftlich ziemlich auf den Hund kommen.

Der Roman ist aus einer Vielzahl von Episoden zusammengesetzt. Die meisten von ihnen können auch ganz für sich stehen. Zusammengehalten werden die Geschichten durch den Schauplatz und das wiederkehrende Personal. Neben Gösta Berling sind da vor allem seine Liebschaften Marianne Sinclaire und die Gräfin Elisabeth sowie der Teufelsbündler Sintram und viele andere.

Kraftvoll erzählt


Was den Roman so überaus lesenswert macht, sind neben der großartigen Naturschilderung und den Reichtum an Details aus Leben und Sitten der Menschen im Värmland und der hohe Unterhaltungswert der Geschichten. Fast immer geht es um Verführungen und Verfehlungen und die rettende Kraft der Liebe. Jede einzelne Geschichte erzählt eine innere Umkehr, einen persönlichen Wendepunkt. Alles ist mit unglaublichen psychologischen Feinsinn geschildert.

Zwar ist der feierliche Grundton und die religiöse Grundstimmung anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Aber das legt sich spätestens nach der Vertreibung der Majorin, wenn der Episoden-Rhythmus in die Gänge kommt. Dann teilt sich dem Leser auch der durchaus begeisternde Impetus des Werkes mit: "Ach Gösta, ein Mann muss alles, was das Leben bietet, mit mutigem Herzen und lächelnden Lippen ertragen."

Gösta Berling ist eine echte Entdeckung, gehört sicher zu den stärksten Büchern dieses Lesejahres.

Mut und Freude! Es ist, als seien diese beiden die ersten Pflichten des Lebens.

Tuesday, November 05, 2013

Guy de Maupassant - Stark wie der Tod

Stark wie der Tod, so bezeichnet der berühmte Maler in dem Roman seine Leidenschaft zur Tochter der alternden Geliebten. Und stirbt dann auch, überrollt von einem Omnibus, als er verwirrt durch die Straßen von Paris geht.
Kaum ein Buch dieses Jahr, das sich klarer, flüssiger, leichter gelesen hätte. Und dabei eines der ältesten.


Friday, November 01, 2013

Ilse Helbich - Grenzland Zwischenland




Ganz erstaunliches Buch einer schon sehr alten Autorin, geboren 1923. Es geht um die hautnahe Erfahrung des Alterns sozusagen auf der letzten Meile und die Vorbereitung auf das Sterben, vielleicht schon das Sterben selbst. Das ganze aber sehr kühl, ohne Larmoyanz oder Sentimentalität, einfach die Beschreibung von Vorgängen durch ein reflektierendes, poetisches Bewusstsein. Dabei immer wieder Beschreibungen von anrührender Schönheit. Zum Beispiel sitzt die Erzählerin bei einem Aufenthalt in Davos, ihre Tochter liegt im nahen Sanatorium, wahrscheinlich stirbt sie, in der Totenkapelle und betrachtet das Fresko, auf welchem die Toten, gesehen von den noch Lebenden in eine paradiesleuchtende Leere eingehen. Sie erscheinen überlebensgroß, wenden sich nicht um. Und hier dann das entscheidende Detail:
Die Fußsohlen der Fortgehenden leuchten jedoch schon in einem goldenen Schimmern. 
Grenzland Zwischenland - ErkundungenVon Leuchtspuren dieser Art ist das ganze Buch durchwoben, während es zugleich schonungslos die Mühen der schwindenden Lebenskraft vor Augen führt: Die Augen geben keine vollständigen Bilder mehr, der Körper ist müde, fällt häufig, eckt überall an, Zähne fallen aus, Namen verblassen aus dem Gedächtnis. Bei all dem gibt es aber immer noch einen leisen Antrieb, der sich als die vitalste Ressource dieses Lebens erweist: das Schreiben.

Dem Verfall steht auf der anderen Seite eben diese unglaubliche Hellsichtigkeit gegenüber, die häufig schon etwas jenseitiges hat. Das sind Erfahrungen, die Ilse Helbich buchstäblich aus dem Grenzland Zwischenland birgt und vor uns hinstellt. Über Musikhören sagt sie zum Beispiel an einer Stelle:

Jetzt eine Musik anders hören. Sie anhören, als würde sie in diesem Augenblick geboren, und zwar aus mir. Dabei die Verfassung des sie zur Welt Bringenden deutlich mitfühlen, ohne Sentimentalität und nicht sich einfühlend in einen anderen, sondern selber in der Verfasstheit des die Musik von Augenblick zu Augenblick Gebärenden.
Und gleich danach beschreibt sie diesen Antrieb des Gestaltenden ganz explizit:
Vor dem Anblick einer Landschaft fallen mir oft Bilder ein, als Möglichkeit, wie einer das malen könnte, und jedes dieser Bilder ist ein Versuch, die quälende Unbeschreibbarkeit des Umgebenden, sein Da-sein, sein bloßes, eigenschaftsloses Da-sein durch die eigene bestimmte Sehensweise in den Griff zu bekommen.
Eine sehr starke Erfahrung, dieses Buch.

Tuesday, October 29, 2013

John Williams - Stoner

Berührendes Buch über einen Dulder, klar, schnörkellos, klassisch. Stoner, ein Bauernsohn, fängt sich die Liebe zur Literatur ein, hat zwei Freunde, wird leidenschaftlicher Lehrer, heiratet schlecht, wird Vater, macht sich einen Feind, erlebt die große Liebe als Episode, verzweifelt, rafft sich zusammen, duldet großartig und stirbt.


Thursday, October 17, 2013

Tad Williams - Die dunklen Gassen des Himmels

Ein Engel als Private-Eye zwischen den Fronten des Himmels und der Hölle.


Ermüdend manchmal nur die Kampfszenen, die lesen sich oft wir komplizierte Vorgangsbeschreibungen. Entschädigt durch eine sehr gute Liebesgeschichte und einige urbane Beobachtungen und Stimmungen, die zeigen, was für ein toller Schriftsteller Tad Williams ist.

Thursday, September 26, 2013

Georg Klein - Sünde, Güte, Blitz

Georg Klein ist so ein Autor, den ich unbedingt gern haben will, mit dessen Büchern mir aber schwer tue.

Sünde, Güte, Blitz - ach, ich konnte damit gar nichts anfangen. Ist das eine aufgeblasene Kurzgeschichte um einen Kobold, der einen Arzt zu brillanter Diagnostik und einer Rentnerin zu unwahrscheinlicher Verjüngung verhilft, das aber wohl nicht soll und daher von einem Engel/Irgendwas gestoppt werden muss?

Das ganze bleibt sehr lau. Drei Nummern größer (Kobold plus Bundeskanzlerin und Jogi Löw) oder kleiner (Pumuckl für Erwachsene) - dann hätte ich es vielleicht gerne gelesen.

Versuche es jetzt mit dem Kindheitsbuch. Schließlich will ich den Autor mögen.

Das Komplott - John Grisham

Ein Grisham. Habe mal einen vor vielen Jahren gelesen, der mir aber nicht gefallen hat, Die Firma glaube ich.

Das Komplott habe ich wieder beim Laufen gehört - in dreifacher Geschwindigkeit. An Charles Brauer: Grisham muss man nicht langsam lesen. Da sind keine poetischen Zwischentöne, denen man lange nachlauschen will...

Die erste Hälfte fand ich recht flott, dann kam mir auf einmal ein Verdacht, der sich mit jedem Kapitel bestätigte.

Sind Grisham-Romane vielleicht nur lange, lange Inhaltsangaben von Romanen, die aber dann gar keine mehr zu werden brauchen, weil sie mit der Inhaltsangabe schon alles vertan haben, was sie sind?

Friday, September 13, 2013

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert - Joël Dicker

Richtiger Page-Turner über den x-ten schreibgehemmten Schriftsteller der mittleren Belletristik. Sehr schön aber, wie sich der Plot bis zur letzten Seite windet und wendet. Starkes Vergnügen, bei dem ich übrigens festgestellt habe, dass sich das Buch - hörte die Audible-Lesung - auch sehr gut un 3-facher Geschwindigkeit lesen lässt.

Tuesday, September 03, 2013

Fliehkräfte - Stephan Thome

Alternder Professor ringt mit der Entscheidung, den Beamtenstatus abzuwerfen und einen Job in der freien Wirtschaft anzunehmen, um damit die Fernbeziehung mit seiner Ehefrau zu retten.

Dünne Story, man nimmt es dem Professor natürlich an keiner Stelle ab, dass er es ernsthaft vorhat und er wäre ja ein noch größerer Trottel, als er ist, wenn er es täte.

Ansonsten: Sprachlich gehobene Bewusstseinsreise mit viel Beziehungsgerede, aber ohne tiefere Erkenntnisse. Da hätte man sich von einem Philosophieprofessor schon an manchen Stellen etwas interessantere, jedenfalls überraschendere Reflexionen gewünscht.

Dennoch lesenswert.




Jennifer Dubois - Das Leben ist groß

Todkranke 30-Jährige (Chorea Huntington) verlässt Freunde, Familie und US-Standards, um in Russland von ehemaligen Schachweltmeister und politischen Oppositionellen den Kampf für eine verlorene Sache zu erlernen.

Die Storyline hört sich beim ersten Lesen besser an, als sie ist. Die Wahrheit ist: Hinter dem Verlieren gibt es keine große Philosophie, es ist einfach nur bitter, wie der Gesundheitstee, den Ex-Schach-WM Alexander seiner Jugendliebe Elisabeta aus den Restbeständen seiner Exfrau Nina serviert, als diese nach 30 Jahren und einem ganzen Leben später endlich wieder auf seiner Fußmatte steht.

Die Dubois erzählt das abwechselnd aus den Perspektiven der Kranken und des Weltmeisters. Das ganze nimmt recht schleppend seinen Lauf. Bis zur Mitte bewegen sie sich gleichsam auf zwei Zeitschienen aufeinander zu, dann arbeiten sie etwas zusammen, und dann gibt es das halbheroische Finale.

In einem Buch über Schach sollten natürlich die Schachdetails stimmen. Ganz überzeugend ist das nicht, aber um das zu merken muss man schon ein etwas besserer Schachspieler sein, der Rest wird es in Ordnung finden.

Alles in allem: gute Anlage, aber Hammer ist nicht draus geworden.

Saturday, August 24, 2013

Martin Amis - Koba, der Schreckliche


Erschütterndes Buch über die Greuel des Stalinismus. Bei solcher literarischer Spurensuche im Realen ist Amis fast am besten.


Eugen Ruge - Cabo de Gata

Schöner, klarer und eindringliche Schriftstellerroman. Ein wenig Sebald.


Hans Pleschinski - Königsallee

Schöne Hommage an Lotte in Weimar. Der alte Thomas Mann trifft die große Liebe Klaus Häuser wieder. Lebensresümierende Begegnung. Kammerspiel wie in Lotte: Leute geben sich die Tür in die Hand, darunter Erika und Golo Mann, Ernst Bertram etc. Vergnügen für Thomas Mann-Fans.


Tuesday, July 16, 2013

31. Falken - Hilary Mantel

Ein Buch über Umgang und Arbeit der Macht, zartgegliedert. Sehr schön in Verbindung mit der Fernsehserie "Die Tudors". Mantels Stil bemerkenswert: Kamerafahrt durchs Bewusstsein Thomas Cromwells. Gespannt, ob es einen dritten Teil geben wird, der dann auch Cromwells Ende umfasst.

Thursday, July 11, 2013

30. Die Naziliteratur in Amerika - Roberto Bolano

Geschichte einer Literatur, die es so gar nicht gegeben hat.
Nach 2666 und Lumpenroman nun also das dritte Buch des Chilenen dieses Jahr. Es ist schon beeindruckend, was für ein Spektrum sich da eröffnet. Die Naziliteratur in Amerika ist bis jetzt das kurioseste.
Der Verlag bezeichnet das Buch völlig ungeniert als Roman. Ich weiß nicht, ob Bolano das auch so gesehen hat. Jedenfalls handelt es sich tatsächlich um eine fiktive kleine Literaturgeschichte einer faschistoiden Literatur in den Amerikas im letzten Jahrhundert. In 33 kurzen Dichterporträts lässt Bolano hunderte von nie geschriebenen Werken aufblitzen. Der besondere Reiz: Die Simulation des Authentischen.

Saturday, July 06, 2013

28 Wolf Haas - Brenner und der Liebe Gott

Nach längerer Zeit mal wieder ein Wolf Haas, von dem leider keine E-Books auf dem Markt sind. Leider war die Verteidigung der Missionarsstellung nicht vorrätig, daher also Brenner und der Liebe Gott beim Buchhändler meines Vertrauens erstanden. Schön übrigens mal wieder Papier in der Hand zu haben. Angenehmes Schriftbild, angenehmer Geruch, nur das Cover ist etwas daneben. Die Schokoladenrippen legen das Niveau einfach ein paar Etagen zu tief an. Denn was Wolf Haas in seinen Romanen liefert, ist viel, viel exquisiter, als Krimiregalware.

Die Story ist nicht großartig: Bauunternehmerkind entführt, geschmiertes Großprojekt, Wirtschaft, Bank und Politik in einer Jagdhütte. Aber der Plot ist nicht wichtig bei Wolf Haas. Viel wichtiger ist bei diesem Autor das Musilsche bzw. das Doderersche. Sprache und Kommentar vor Handlung und Charakter, hier übrigens auf einer Linie mit Heinrich Steinfest. Daher haben diese angetäuschten Krimis auch so ein angenehm anderes Lesetempo: schwerelose Gemächlichkeit. Die Fabulierlust lässt sich gerne aufhalten, um bei Szenen zu verweilen und Details unter das Vergrößerungsglas zu legen. Damit liefern diese Romane etwas genuin Literarisches, was das Fernsehen so nicht imitieren kann.

Einer der großen Haas-Kniffe ist die Wiederbelebung des auktorialen Erzählers, hier in Gestalt eines Kneipenplauderers. Das ist ziemlich irritierend, funktioniert aber. Interessant auch, wenn man diese Perspektive auf den Romantitel bezieht: Wenn Erzähler und der Liebe Gott identisch sind - und wer sonst sollte der Erzähler sein - dann kommt es an mindestens einer Stelle zu bedeutungsvollen Begegnungen zwischen ihm und seiner Hauptfigur. An mehreren Stellen scheint dann ein überraschender religiöser Lichtstreif durch die alltagsrealistische Konstruktion.

Fazit: Vier Stunden angenehm beschwingte Gedankenunterhaltung.

Thursday, July 04, 2013

24-27 Das Lied von Eis und Feuer 6-9 - George R. R. Martin

Jetzt ganz drinnen, völlig absorbiert. Ein wirklicher Hexenmeister von einem Erzähler. Wie er dann auf einmal die gewohnten Perspektiven beiseite lässt und zwei Bände von ganz anderen Personen - einige davon hat man zu den Bösewichten gezählt - erzählt, ist toll. Allerdings ist es wirklich nicht möglich den Überblick über den ganzen Mittel- und Kleinadel zu bewahren.

Wednesday, July 03, 2013

6. Jose Carlos Somoza - Die 13. Dame

Ganz netter Mysterie-Thriller. Lag schon seit Jahren Regal.

23. Apostoloff - Sibylle Lewitscharoff

Roman der neuen Büchner-Preisträgerin. Reisegeschichte eines ungewöhnlichen Konvois: Ein Reicher US-Bulgare ünerführt im Rahmen eines lukrativen Projekts eine Handvoll toter schwäbischer Bulgaren zurück in ihr Herkunftsland. Das gibt der Erzählerin Gelegenheit, einen bitteren Blick auf dieses Land zu werfen.

Sehr gelungen sind Sprache, Ton. Im Spiegel bezeichnete ein Kolumnist Lewitscharoff als vom "Reinlichkeitswahn der schwäbischen Hausfrau getriebene Langeweilerin".  Das scheint weit hergeholt. Im Text verstreut sind sprachliche Diamanten, die aufzulesen viel Spaß macht, etwa wenn es über den verhassten Selbstmördervater heißt: "Er hatte immer ein Häubchen Schwermut auf dem Kopf". Oder über die Religionsferne der Schwester: "Ihr weiches, gutmütiges Herz sitzt im Stahlgehäuse des protestantischen Atheismus fest."

Motive: Engel, Religion; Hässlichkeit des Sozialismus, Vaterhass.

Tuesday, June 18, 2013

22. Ein plötzlicher Todesfall - Joanne K. Rowling

So direkt kann man das Soziale anpacken. Ohne formale Skrupel frisch hinein ins Menschenleben. Ein lebendiger, engagierter Roman, am Realismus des 19. Jahrhunderts geschult. Bin gespannt auf ihr nächstes.

Thursday, May 16, 2013

19. Das Ende einer Geschichte - Julian Barnes

Noch mal in der Übersetzung, weil ich dachte, etwas nicht kapiert zu haben. War aber nicht der Fall. Das Buch macht mehr aus einem Ereignis, als dieses eigentlich hergibt: Ein beleidigter Liebhaber schreibt einen giftigen Brief an den Freund, der jetzt mit seiner Ex geht. Das Schreiben wirkt sich wie ein Fluch auf dessen weiteres Leben und das des Mädchens aus. Doch der Briefschreiber ahnt nichts davon, bis er im Alter durch eine Erbschaft damit konfrontiert wird und merken muss, dass sich alles anders abgespielt hat, als er es in Erinnerung hat.

Im Prinzip kein schlechtes Motiv. Barnes bläht das ganze jedoch um einige geschwätzige Reflexionen über Zeit und Vergänglichkeit auf. Arthur & George war ein sehr viel besseres Buch.

17. Roberto Bolano - 2666

Der große Roman von Roberto Bolano 2666 also. Eigentlich handelt es sich um fünf Erzählungen. Einige haben durchaus das Kaliber ausgewachsener Romane. Das gilt vor allem für den ersten und die letzten  beiden Teile. Ersterer, "Der Teil der Kritiker", umfasst knapp 200 Seiten, "DerTeil von den Verbrechen" rund 350 und "Der Teil von Archimboldi"  über 300. "Der Teil von Amalfitano" und der "Teil von Fate" sind wesentlich kürzer, 80 und 150 Seiten.

Die Teile
"Der Teil der Kritiker" ist im Prinzip eine Art der Gelehrtenkomödie. Vier Kritiker aus verschiedenen Ecken Europas eint das Interesse an den rätselhaften Schriftsteller Archimboldi, ein vermeintlicher Nobelpreiskandidat, der aber seit Jahren verschwunden ist. Die Kritiker, drei Männer, eine Frau beginnen einen friedlichen Liebesreigen und enden schließlich auf der Suche nach Archimboldi in der Mexikanischen Grenzstadt Santa Teresa, due seit Jahrzehnten von einer epidemischen Frauenmordserie heimgesucht wird.

"Der Teil von Amalfitano" erzählt die Lebengeschichte des Mexikanischen Gelehrten Amalfitano, der später auch in Santa Teresa wohnt. Ihn lernen die Kritiker des ersten Teils in dem Ort kennen.

"Der Teil von Fate" schildert tarantinoartig die vergeblichen Aufklärungsversuche des US-Reporters Fate in Santa Teresa.

"Der Teil von den Verbrechen" reiht hunderte von Berichte über Frauenmorde aneinander. Einzelne Lebensgeschichten rücken nur hin und wieder durch ein Detail in den Vordergrund.

"Der Teil von Archimboldi" erzählt die Biografie Archimboldis, der sich am Ende ebenfals auf nach Mexiko macht, wo sein Neffe Klaus als Hauptverdächtiger einsitzt.

Schauplätze
Beeindruckend ist die Fülle an Schauplätzen, die der Roman passiert: London, Paris, Madrid, Lissabon, Mailand, Genf, Santa Teresa, New York, russische Dörfer und vieles mehr. Ein Abschnitt spielt sogar in Kempten. Ich kenne kein "globaleres" Buch.

Erzählweise
"Der Stil war eigenartig, die Schreibweise klar, manchmal geradezu transparent, aber die Art wie die Geschichten aneinanderreihten, führte nirgendwohin"; heißt es an einr Stelle über Archimboldi. Gilt auch für den Roman.

Schmerz der Welt
Eine Figur sagt an einer Stelle, dass in den Frauenmorde das Geheimnis der Welt verborgen liege. Und was ist das? Die unglaubliche, mäandernde Einsamkeit des Menschen.

Tuesday, May 14, 2013

21. George R.R. Martin - Sturm der Schwerter

Fortsetzung der großen Saga, leider vom Verlag hierzulande sehr zerhackt. Das Buch endet einfach, als hätte man es in der Mitte durchgeschnitten. Unschön.

Wieder sehr fesselnd im übrigen. Wenn auch sehr zu befürchten ist, dass sich all die Fäden niemals zusammenführen lassen. Ist aber auch egal, dabei sein ist alles. Und wie heißt es bei Goethe: Dass du nicht enden kannst, macht dich groß. Oder so ähnlich.

Sunday, May 12, 2013

20. Lob - Daniel Kehlmann

Sehr schöne Essays über Autoren und den eigenen Erfolg. Machen große Lust auf die fraglichen Bücher, kaufte zum Beispiel gleich eines von Imre Kertez. 

Am angenehmsten: die Leichtigkeit des Tons, die Selbstironie, der uneitle Umgang mit dem Ruhm.

Eindruck nach der Lektüre: Sollte seine Bücher sorgfältiger Lesen. Einer der besten Assets der deutschen Gegenwartsliteratur.

Wednesday, May 01, 2013

Wednesday, April 17, 2013

16. Lumpenroman - Roberto Bolano

Erzählung, sonderbar an Kafka erinnernd. Die Gehilfen etwa. Klarheit des Stils, der seltsamer Weise relativ derailarm, trotzdem rätselhaft.

15. Christoph Ransmayr - Atlas eines ängstlichen Mannes

Masse an Kurzgeschichten an globalen Schauplätzen spielend, häufig reportagehaft anhebend, dann sich poetisch wendend, nicht
selten durch ein Tier. Es gibt Pfauen, Hunde , Faultiere, Katzen, Vögel, Elephanten, Haie, Varame, Anakondas, andere Schlangen und viele mehr.

Reizvoll das Nebeneinander des Atlas: Österreich neben Indien, Texas neben Guatemala etc.

Wednesday, April 10, 2013

14. Sand - Wolfgang Herrendorf

Verspielter Wüsten- und Abenteuerroman um Identität und Tod. Verfolgungen, Fluchten, Verstecke, Verhöre, Folterungen, Verstümmelungen. Und dann wieder alles von vorne. Einige Längen, aber insgesamt macht das Spiel einigermaßen Spaß.

Saturday, April 06, 2013

13. Caroline Alexander - Der Krieg des Achill

Beeindruckendes literarhistorisches Buch über die Ilias, das einen die schroffen Schönheiten des Werkes nahe bringt.

Friday, March 29, 2013

9. BROM - Der Kinderdieb

Seltsames Stück Urban Fantasy. Das Storytelling ist ziemlich gut gelungen, die integrierte Avalonwelt ist detailreich und farbig, auch die Hauptcharaktäre sind nicht ohne Facetten.

Thursday, March 21, 2013

11. Die Vermessung der Welt - Daniel Kehlmann

Unterhaltsame Doppelbiographie. Überzeugend durch Klarheit und Humor, der sich häufig aus der Ironie der langen indirekten Dialoge ergibt.

Saturday, March 16, 2013

10. Der Musikversteher - Hartmut Fladt

Sehr unterhaltsames Buch für alle, die verstehen wollen, was ihnen an ihrer Musik gefällt. Übrigens hat Fladt auch eine sehr schöne Kolumne bei Radio Eins.

Man würde ihm gerne eine Liste an Lieblingsliedern schicken, um sie sich analysieren zu lassen.

Wednesday, February 20, 2013

8. Thomas Knubben - Hölderlin. Eine Winterreise

Sehr anregender Bericht über eine Fußreise von Nürtingen nach Bordeau. Lust, auch so etwas zu machen

Tuesday, February 12, 2013

7. Abschied von Chautauqua - Stewart o'Nan

Ein ziemlich dicker Familienroman: Witwe, Schwägerin, Sohn, Schwiegertochter, Tochter, je zwei Enkel und Enkelinnen machen zum letzten Mal Ferien im Sommerhaus der Familie am Erie-See. Der Vater ist im Jahr darauf gestorben, jetzt soll das Haus verkauft werden. Daher der Titel.
In der Familie wächst der Widerstand gegen den Verkauf des Hauses, es bildet sich sogar eine Allianz, die den Handel im letzten Augenblick verhindern will. Aber Emily, die nervig-weise Matrichatin, bleibt standhaft, sie weiß, die Nachkommen haben es nicht mehr im Kreuz, auf dem Weg in prekäre Einkunftsverhältnisse, liegt dieser üppige Container an Lebenserinnerungen mittlerweile schlicht über ihrem gesellschaftlichen Niveau.
Gutes, sehr menschliches Buch, in dem auf angenehme Weise sehr wenig geschieht.

Tuesday, February 05, 2013

5. Der Talisman - Stephen King

Die Erinnerung an die Erstlektüre war besser. Schön die Wolf-Freundschaft. Dann aber doch sehr zäh.

4. Eugen Ruge - In Zeiten abnehmenden Lichts

Wider Erwarten sehr gutes Buch, so ist deutsche Literatur wettbewerbsfähig.

Friday, January 18, 2013

3. Janet Malcolm - Reading Tschechow

Tolles Buch über Tschechow, finde diese Art der literarischen Essayistik sehr ansprechend. Malcolm führt so interessant durch die Motivwelt des Russen, dass man die Primärtexte gar nicht mehr lesen braucht.

2. Friedrich Ani - Totsein verjährt nicht

Erster Ani. Ganz nett, aber auch kein ganz großer Hit. Dafür ist mir das Gewese um den Kommissar zu melodramatisch.

1. Salman Rushdie - Des Mauren letzter Seufzer

Ermüdet auf Seite 300 aufgegeben. Keinen Sinn für diese Art von Picaro-Exotik. Ähnlich wie bei Grass. Man rühmt diese Autoren immer als Geschichtenerzähler. Aber eigentlich sind sie mehr eine Art Ausmaler von relativ statischen Szenen. Ich will nicht sagen, dass es schlecht ist. Ich finde es aber mühsam. Und übrigens ist das ganze auch relativ arm an Denkanreizen.