Sunday, December 22, 2019

Rüdiger Safranski - Hölderlin. Komm! ins Offene Freund! Biographie

Dichterbiographie, auch mit Beziehung zur philosophischen Ideenwelt seiner Zeit. Diese Sachen dann manchmal öde und unersprießlich, bei einer ansonsten sehr kompakten und gut lesbaren Lebensbeschreibung.

Christoph Poschenrieder - Der unsichtbare Roman

Gustav Meyrink, der Schriftsteller, soll im Auftrag des Auswärtigen Amtes einen Propagandaroman schreiben. Er nimmt das Angebot an, umkreistes Projekt, tut aber nichts dafür. Sehr lässiger, kleiner Roman.

Mirko Bonné - Traklpark

Gedichte, vor allem vom Reisen und Unterwegssein. Irgendwie stehen sie in Beziehung zu Trakl.

Sebastian Barry - Tage ohne Ende

Zwei schwule Unionssoldaten erleben allerhand Grausamkeiten im Krieg gegen Indianer und Südstaatler. Doch sie bleiben bei allen Erlebnissen positiv, das ist das Erstaunliche. Ganz einmalig ist der Ton, in dem das alles erklingt - sehr farbig, genialisch.

John Burnside - Haus der Stummen

Ein unheimlicher Einzelgänger auf der Suche nach dem Sitz der Seele im Menschen. Benutzt dafür Zwillinge, die er vor der Welt verborgen hält. Schätze Burnside sehr, aber das Buch war mir doch zu herzlos.

Simone Buchholz - Revolverherz

Eine zu groß gewachsene, zu viel trinkende Staatsanwältin auf der Suche nach Mördern und Auswegen aus der Einsamkeit. Wunderbare Heldin, wunderbare Erzählwelt, wunderbare Autorin.

Monday, November 18, 2019

Hanns-Josef Ortheil - Der Mann, der von den Löwen träumte

Roman über Hemingway. Ein eigenes Genre mittlerweile. Aber es geht hier eigentlich um das Schreiben, wie Ortheil es versteht. Und das gefällt immer.

Nick Drnaso - Sabrina

Graphic Novel. Eine junge Frau verschwindet, die Menschen trauern und leben weiter, derweil die Welt fast verrückt spielt.

Christian Friedrich Delius - Wenn die Chinesen Rügen kaufen, dann denkt an mich

Als Roman getarnter, langer Essay zur Tagespolitik. Man hört aber ganz gerne zu.

Anton Tschechow - Adriana

Tschechow Erzählungen halt. Ganze Welten berührt auf flüchtigen paar Seiten.

Shirley Jackson - Wir haben schon immer im Schloss gelebt

Quasi das Urei des modernen Mystery. Unaufgelöst hinreißend.

Juan Moreno - Tausend Zeilen Lügen

Packendes Buch über den Fall Relotius, tiefe Einblicke in den Maschinenraum des Journalismus offenbarend.

Jan Brokken - Sibirischer Sommer mit Dostojewski

Roman über Dostojewski, mit Schönheiten, aber ohne rechte Relevanz für die Gegenwart.

Volker Weidemann - Das Duell

Etwas aufgemotzte Doppelbiografie mit manchmal aufdringlichem Storytelling.

Norbert Gstrein - Die englischen Jahre

Roman über einen jüdischen Schriftsteller, gute Geschichte, die aber durch nervige Einschaltung von sinnlosen Reflexionsebenen fast ungenießbar.

Thursday, October 10, 2019

John Boswell - Dr. Samuel Johnson: Leben und Meinungen

Pur englisch. Sehr erheiternd und unterhaltend, obwohl so ziemlich alles, was jener Gelehrte zum Besten gab, heut falsch und verkehrt ist.

Steffen Kopetzky - Propaganda

Saftiger Roman mit Krieg, Indianern, Nazis, Hemingway, Matlock-Gerichtsfinale, Vietnam, Kennedy, Nixon, Apocalypse Now usw. Sehr unterhaltsam, nur am Ende läuft es sich ein wenig leer.

Friday, September 27, 2019

Patricia Duncker - Die Germanistin

Vielleicht ist das Buch aus dem Impuls heraus entstanden, Gedanken und schöne Schwärmereien rund um Literatur in ein Stück Fiktionshandwerk einzubetten. Irgendwo lässt sie den sagenumwobenden Schriftsteller sagen:
Ich stelle die gleichen Anforderungen an Menschen und fiktionale Texte, petit - daß sie offen enden, daß sie in sich eine Möglichkeit zu sein enthalten, und diejenigen zu verändern vermögen, denen sie begegnen. Dann funktioniert etwas - die notwendige Dynamik - zwischen dem Autor und dem Leser.
Das ist zwar ein schöner Gedanke, klingt aber, trotz leisem Gesäusel, petit, nach Seminar. Der Geruch einer akademischen Muckibude liegt in der Luft.
Gerne lesen Leser wie ich ja von anderen Lesern, die in einem Buch mehr Anmerkungen hinterlassen, als der ursprüngliche Drucktext einnimmt. Aber das meiste in der Germanistin ist einfach nur Story mit einem Ende, das im Kino vielleicht ganz gut funktioniert, im Roman aber zu ölig reingeschraubt wirkt. Bleibt noch zu sagen, dass ich den Roman trotzdem sehr schnell durchgezogen habe. Und gleich auf den Stapel für den öffentlichen Bücherschrank abgelegt. 

Tuesday, September 24, 2019

Doris Dörrie - Leben, schreiben, atmen

Anders als es der Titel nahlegt, handelt es sich um keinen Schreibratgeber, sondern um eine getarnte, sehr gut geschriebene Autobiografie.
Doris Dörries Anleitung lässt sich ganz kurz zusammenfassen: Schreibe jeden Tag, schreibe in Zehnminutenintervallen, schreibe mit der Hand, schreibe ohne nachzudenken, lass dem Schreiben seinen Lauf. Verlass dich auf deine Erinnerung, benutze einfache Trigger wie: die Erinnerung an die Eltern, das Elternhaus, Freunde, Musik, Tiere, Kleidung, gestern, sitzen und beobachten, flannieren, reisen etc. Dann mischt, nach und nach, von ganz alleine etwas in das Schreiben, das mit Selbst- und Weltvergewisserung, Achtsamkeit, Tiefe zu tun hat.
Und all das demonstriert sie dann selbst in wunderbaren autobiografischen Skizzen, die um wiederkehrende Motive kreisen, dazu aber immer neue Facetten entdecken.
Man geht da nach einer Weile staunend und betört mit.

Thursday, September 19, 2019

Takis Würger - Der Club

Roman, den man sehr schnell in einem Zug durchliest: Ein trauriger Hans lässt einen Vergewaltiger-Club im schnöseligen Cambridge auffliegen. Kein Werk für die Ewigkeit, eher für den offenen Bücherschrank.

Wednesday, September 18, 2019

Norbert Scheuer - Überm Rauschen

Roman über eine Familie in der Provinz irgendwo in der Eifel, Wirtshausbesitzer, Alkoholiker, Glücklose. Hermann, der Bruder, Außenseiter und Fliegenfischer, kommt nicht mehr aus seinem Zimmer, das ist das zentrale Motiv. Zu viele Verletzungen, zu groß die Kluft zwischen dem Leben und den eigenen Träumen. Die Suche nach dem großen Fisch blieb erfolglos.
Es ist der Ton, der diesen Roman so gut macht – bis in die Lexikon-Vignetten über Fische und Köder. In der Danksagung nach der Erzählung steht dann die Charakterisierung, die für alle Personen gilt, jedenfalls für die männlichen Helden:
Besonderer Dank gilt meinem Vater, für den dasjenige, was wir gemeinhin für Wirklichkeit halten, immer der kleinere Teil unserer Existenz gewesen ist.
Es ist diese Anlage, die die Helden scheitern lässt, allen voran den Vater im Buch und vor allem den Bruder Hermann. Aber – und das macht die schöne Melancholie dieses Buches aus: es ist der kleine Teil, mit dem sie scheitern. Der größere ist für uns nicht sichtbar, nur erahnbar. Er liegt unterm Rauschen. Und wir ahnen, dass er sehr schön sein könnte.
Das große Glück des Buches ist aber einmal mehr sein Ton, ein Ton wie eine leise, schöne, traurige Musik. Immer, wenn einem Autor dieser Ton gelingt, stellt sich bei mir jedenfalls der Eindruck ein, das ist das Wesen echter Literatur.
Mit welchen Mitteln aber wird dieser Ton erzeugt? Es ist einerseits die Stimme des Ich-Erzählers, der sich ganz zurücknimmt, gleichsam verbirgt, und nur das Äußere beschreibt, aber dadurch auf geradezu magische Weise ein geheimnisvolles Bild, schemenhaft, entstehen lässt. Open City ist auch ein Buch, das ganze in dieser berückenden Tonart geschrieben ist.
Das ist der wahre Stoff, der ganz reine.
Ein zentrales Kapitel handelt von der Ankunft des Vaters in dem kleinen Ort, den er als Angel Tourist besucht und dann hängen bleibt, weil er sich in die Mutter mit dem schweren, kastanienfarbenen Haar und den Katzenaugen verliebt. Er ist ein Mann mit Anlagen, intelligent, gebildet, möchte Bücher schreiben, eine Chronik über den Ort. Aber alles versinkt, löst sich auf, Alkohol, die Untreue der Frau, die uneingelösten Versprechen, die er sich selbst gemacht hat. Am Ende bleibt nur das Angeln.
Mit dem Bruder geht es ähnlich, ein Mathematiker ein Talent, Gymnasiast, der das alles aber schon in der Schule sein lässt.
Die Männer veröden in dem Roman, ganz von selbst wie es scheint, während die Frauen weiter kochen, bedienen und stricken. Oder schimpfen. Eine eigentümliche Kraftlosigkeit drückt die Männer nieder, man weiß nicht, woher sie kommt, ob es am Land liegt oder an ihnen selbst.
Sah einen Vortrag von Norbert Scheuer auf YouTube, er hat einen Sprachfehler, lispelt stark, eine der Eigenschaften, die den Hermann aus Roman so gewinnend macht.
Wikipedia sagt: bis 2017 arbeitete Scheuer als Systemprogrammierer bei der Telekom. Er ist Jahrgang 1951 – also bis zur Rente. Das ist eine so ganz andere Biografie, ein so ganz anderer Zugang zur Literatur, als ein wie auch immer akademischer. Zwingend wohl auch, weil er sich bei seinem Stoff auf seine literarische Provinz – die Eifel – beschränkt, und damit universal wird.

Thursday, September 12, 2019

Sorj Chalandon - Am Tag davor

Roman im Stile Zolas. Ein Mann (Fernfahrer, Witwer) nimmt eine verquere Rache für den frühen Tod seines Bruders, eines Bergarbeiters. Psychogram eines Menschen, den Unglück und Schuld dazu zwingen, ein Leben in der Lüge zu führen, was sich alles irgendwie auf den unmenschlichen Bergbau in Frankreich zurückführen lassen soll. Sehr spannende Lektüre dabei, wie häufig bei Büchern über Gerichtsfälle.

Saturday, September 07, 2019

Ivo Andric - Wesire und Konsuln

Ivo Andric. Lange um diesen Roman gekreist, jahrelang. DAS ist auch eines der Geheimnisse von Büchern: das irgendwann, oft völlig unabhängig von äußeren Ereignissen, ihre Zeit gekommen ist. Ein starkes Buch, wie vermutet. Es geht um das Leben in der Fremde, einer Fremde, die gar keine Anstalten macht, die Fremdheit zu überwinden, im Gegenteil. Und damit muss man dann leben und wird natürlich nicht froh darüber; aber die Wesire und Konsuln stehen es durch, finden Ablenkungen, überstehen es. Und wie Andric das schildert, die Melancholie und Hoffnungslosigkeit, ohne zu düster zu werden, das nimmt einen schon mit auf die Reise.

Thomas Mann - Königliche Hoheit

Zwei Th Mann-Bücher habe ich noch nicht gelesen: Königliche Hoheit und Der Erwählte Warum auch immer. Vielleicht, um das Erlebnis der GROSSEN Romane nicht zu schmälern. Königliche Hoheit also jetzt doch, und zwar hervorragend altmeisterlich gelesen von Gert Westphal. Es geht um den Nachfahren eines Herrscherhauses in einem kleinen, fiktiven Land, dessen Lebensaufgabe lediglich darin besteht, Hoheit zu repräsentieren und damit klar zu kommen. Das Thema ist wie bei Aschenbach: die Form wahren und diese passive Tätigkeit als aktive, gestalterische Arbeit wahrzunehmen. Das wird dann allerdings über Bord geworfen, als eine Milliardärstochter erscheint, die er dann gegen keine ernsthaften Widerstände heiratet und damit nebenbei den maroden Staatshaushalt rettet. Das Ganze ist relativ konfliktfrei, daher auch nur mäßig spannend. Viel investiert Mann in die kataloghafte Schilderung von Interieurs. Nun, es war besser, als erwartet, wenn auch sicher auf der Th Mann-Liste auf einem der hinteren Plätze.

Saturday, August 24, 2019

Primo Levi - Ist das ein Mensch?

Ein Bericht aus der Hölle von Auschwitz, aufgeschrieben von einem Menschen, der durch sie gegangen ist.

Es sollen sein diese Worte in eurem Herzen.
Ihr sollt über sie sinnen, wenn ihr sitzet
In einem Hause, wenn ihr geht auf euren Wegen,
Wenn ihr euch niederlegt und wenn ihr aufsteht;
Ihr sollt sie einschärfen euren Kindern.
Oder eure Wohnstatt soll zerbrechen,
Krankheit soll euch niederringen,
Eure Kinder sollen das Antlitz von euch wenden.

Primo Levi - Ist das ein Mensch?

Wednesday, August 21, 2019

Carson McCullers - Das Herz ist ein einsamer Jäger

Ein Klassiker der amerikanischen Moderne: Eine Kleinstadt im Süden der USA, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Zwei Taubstumme leben zusammen, bestreiten als Freunde gemeinsam ihren Alltag. Der eine von ihnen tickt langsam etwas aus und landet in einer Psychiatrie. Der andere  - Mr Singer - hält ihm die Treue, besucht den Freund im Urlaub, macht ihm tolle Geschenke (z.B. Filmprojektor). Doch der andere wird krank stirbt, woraufhin Mr Singer sich erschießt.

Das ist der Rahmen. Dazwischen spielen sich die Geschichten von vier weiteren Personen ab: einem 13-jährigen Mädchen mit einer genialen Begabung für Musik; einem farbigen Doktor mit dem Ziel, sein Volk vom "großen Ziel" zu überzeugen; ein Revolutionär und Alkoholiker, der sich für einen Wissenden hält und die Menschen zum Streik aufrufen möchte; einem Cafébesitzer, dessen Frau stirbt und der sich heimlich nach Kindern sehnt. Sie alle eint, dass sie mit ihrem Gesprächsbedarf in Mr Singer einen geeignetes Gegenüber sehen. Zu ihm kommen sie, um ihre Herzen zu öffnen, ohne dass er sie wirklich verstehen würde und ohne dass sie sich um seine Bedürfnisse im geringsten kümmern würden.

Sehr schön, wie diese Geschichten parallel entwickelt werden und wie viel Raum da für anrührende, dramatische Ereignisse bleibt. Auch sehr schön sind die vielen Nebenfiguren wie das Dienstmädchen Portia, die ihre Familie zusammenhält, oder der kleine Bruder Bubber, der versehentlich ein Nachbarskind anschießt etc.


Andreas Maier - Die Universität

Fortsetzung des autobiografischen Experiments, hier auch mit halb-lyrischen Formen experimentierend, so etwa bei der Autofahrt zum Campus. Irgendwann wird es eine dreibändige Gesamtausgabe der 13 Romane geben.

Peter Handke - Die Wiederholung

Handke lesen ist immer eine Art Meditation. Auch hier. Kein anderer Schriftsteller hat einen so persönlichen Blick auf die Welt, eine so eigene Sprache. Bewusstseinserweiternd.

Colson Whitehead - Die Nickel-Boys,

Gewohnt starker Roman von Whitehead, der poetisch wird in der Schlusswendung.

Hilmar Klute - Was dann nachher so schön fliegt

Guter 80er Roman, bei dem ganz Nabokov-mäßig ein Lyriker aus der Provinz nach Berlin kommt und aus dieser schönen Perspektive von weit oben auf die Stadt schaut.

Andreas Maier - Der Ort

Spannendes Experiment des autobiographischen Schreibens. Arbeitet manchmal mit extremer Zeitdehnung.

George Simenon - Die Marie vom Hafen

Guter Simenon, im Mittelteil etwas auf der Stelle tretend. Aber immer wieder sehr schön, diese "normalen" Romane, die sich in einem einfachen Setting mit Leuten aus dem ort entfalten.

Saturday, July 13, 2019

Graham Moore - Der Mann, der Sherlock Holmes tötete

Krimi über ein Geheimnis Arthur Conan Doyles: Während der weltberühmte Schriftsteller im viktorianischen London auf den Spuren seines großen Helden erstmals selbst einen Mordfall aufklärt, wird in der Gegenwart der größte Sherlock Holmes-Experte ermordet, nachdem er dessen verschollenes Tagebuch gefunden haben will. Amüsantes Spiel mit Regeln des Kriminalromans. Zwei Geschichten, die sich spiegeln. Historische Realität und erfundene Gegenwart, Sherlock Holmes, Arthur Conan Doyle, die Detektive und Aficionados der Gegenwart, alles spiegelt sich in diesem Detektive Story-Kabinett.  

Helmut Krasser - Die letzten schönen Tage

Roman über Dreiecksverhältnis zwischen einem verrückten Werbetexter, einer Chorsängerin und einem Fotografen. Sie liebt den Werbetexter, hat aber eine Affäre mit dem Fotografen. Als der Werbetexter verrückt wird, pflegt sie ihn erst, als der Werbetexter aber immer verrückter wird, geht sie mit dem Fotografen. Banale Geschichte, die man aber trotzdem gerne liest, weil Krausser seinen Helden immer so was Protziges, Überbordendes gibt und dabei die Sprache ausreizt und oft auch überreizt, sich darüber aber nicht schert. Immer so ein Nietzscheanischer Kulturelitarismus zu spüren, was die Sache immerhin selten langweilig macht. 

Friday, July 05, 2019

Steffen Popp - 118 Gedichte

Schöne Anlage, teilweise recht sperrige Textkästen aus Begriffsassoziationen.

Friday, June 28, 2019

Tilmann Lahme - Die Briefe der Manns

Sehr schön in dieser so gut vorgelesenen Fassung, wie die Stimmen der Manns ein ganz eigenes, sehr kreatives Diktum eint.

Rohinton Mistry - Das Gleichgewicht der Welt

Anrührender Gesellschaftsroman aus dem Indien der 70er Jahre. Gegen Unterdrückung, Gewalt, Willkür und Grausamkeit eines nur scheinbar demokratischen Staates hilft ganz unten nur noch ganz pure Menschlichkeit. Eine Variation auf das Willkür-Instrument verhängter Ausnahmezustand.

George R.R. Martin - Die Herren von Winterfell

Zweitlesung. Ein phantastisches Epos über Macht und Politik - mit unzähligen Subthemen wie Formen der Vitalität, Fauna und Flora, Formen von Ethnien etc.

George R.R. Martin - Armageddon Rock

Sehr sympathisches, nostalgisches Unterfangen. Eine Kultband der großen Aufbruchsgeneration feiert geisterhaftes Comeback, spektakulär und diskurslastig.

Ferdinand von Schirach - Kaffee und Zigaretten

Sehr schöne Skizzen und Vignetten. Hätte man ewig weiter lesen können.

Walter Moers - Das Labyrinth der träumenden Bücher

Bei all dem gewaltigen Charme der Bücher von Walter Moers, das Labyrinth kommt leider nie so richtig vom Fleck. Ein Buch über ein Buch, das es hätte werden sollen.

Jennifer Clement - Gun Love

Hypnotische Geschichte über Familie, Gemeinschaft und Gewalt. Aus der Perspektive eines scharfäugigen Teenagers erzählt, enthüllt es Amerikas Liebesaffäre mit Schusswaffen und ihre schmerzhaften Folgen.

Oskar Maria Graf - Wir sind Gefangene

Graf schildert seine Erlebnisse in den Jahren von 1905 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und der Münchner Räterepublik. Ein Dokument, nackt, schonungslos, direkt und auch für heutige Zeiten unglaublich brisant.

César Aira - Was habe ich gelacht

Sehr schöner, kurzer Roman aus einer anderen Welt. Im Begleitschreiben heißt es treffend:
Aira eröffnet in dieser überraschend intimen Erzählung, die mal Autofiktion, mal wilde Fabel ist, einen Raum zwischen Witz und Gelächter, jenen Spalt, der oft zwischen dem eigenen Bewusstsein und der Gegenwart des Moments klafft: Darin finden wir Träume, Erinnerungen, einen Ozean der Wehmut - und schließlich auch das Lachen. Eigensinnig und doppelbödig zeigt sich der argentinische Ausnahmeautor hier in seiner ganzen weltliterarischen Größe.

Milan Kundera - Das Fest der Bedeutungslosigkeit

Mal wieder ein Kundera - sehr klar, allerdings nicht ganz so fesselnd, wie die früheren Sachen.

Monday, April 15, 2019

Rolf-Bernhard Essig - Schreiberlust und Dichterfrust

Sehr unterhaltsames Buch über Literatur, den Literaturbetrieb, Schriftstellerexistenzen. Was nur manchmal seltsam ist, ist der Umstand, dass das Buch scheinbar für Kinder geschrieben ist. Dafür ist es doch etwas zu gelehrt, man kann sich nicht vorstellen, dass Kinder das besonders interessant finden. Aber das stört doch nicht sehe.

Milan Kundera - Der Scherz

Wiederbegegnung mit einem Roman, den ich vor vielen Jahren mal gelesen habe. Obwohl er mir damals nicht als der beste Roman von Kundera erschienen war, ist er mir von allen am deutlichsten im Gedächtnis geblieben. Mit wie wenig Poesie und "Kunst" er auskommt. Die Sprache ist fast kahl, oft floskelhaft, doch was im Kopf entsteht ist sehr prägnant. Die "Meditationen" sind manchmal etwas langatmig, hier drängt es einen weiter zu der fast unbeabsichtigt spannenden Handlung.

Emily Bronte - Sturmhöhe

Wüstes Kammerspiele, spannend wie die Bronte mit dieser Handvoll Figur die Konflikte immer wieder aufflammen lässt, über hunderte von Seiten. Das ganze spielt nur an zwei Orten, keine zehn Figuren sind beteiligt, und das auf 400 Seiten.

John Steinbeck - Jenseits von Eden

Monumentaler Roman, Lesegefühl, wie damals bei Dostojewski. Meditation über Kain & Abel, tolle Figurenzeichnung.

Monday, April 08, 2019

Clemens Meyer: Die stillen Trabanten

Die erste Skizze in dem Band hat mir so gut gefallen, dass ich es gleich kaufen musste. Die anderen Sachen sind etwas abgefallen, aber immer noch interessant genug, dass ich es ganz durchgelesen habe. Etwas zu lang vielleicht die einzelnen Geschichten. Und manchmal fragt man sich, ob man nicht vielleicht eine Pointe verpasst hat und hat es wahrscheinlich. Trotzdem: der Stoff ist gut (arbeitende Menschen) und die Atmosphäre passt.

Tuesday, April 02, 2019

Peter Stamm - Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt

Roman mit Doppelgängermotiv, bei dem der eine wie in einem Alptraum die Biografie des anderen aufzufressen scheint. Mysteriöse und spekulativ,  dabei durchaus interessant, wohin das alles führt.  Eine Sammlung, ineinander übergehender Ringe.

Sunday, March 24, 2019

Anne Enright - Das Familientreffen

Irischer Roman, also Kinderreichtum, Katholizismus, Alkohol und Lieder. Einer von Zwölfen hat sich ersäuft, schwarzes Schaf und heimlicher Liebling. Alle Tragödien sind irgendwie schon mit den Großeltern angelegt. Nicht viel wird gelöst, kaum etwas ändert sich.

Vladimir Nabokov - Fahles Feuer

Roman in Form von Anmerkungen zu einem Langgedicht. Die Facetten von Nabokovs Kunst werden entfaltet. Rätsel und Spiel der Motive und Bezüge unterhalten die Problemschachfreunde unter den Lesern. Tableaus lassen die rückenmarkssensitiven Galeriebesucher der Phantasie aufjuchzen. Detailschürfer sacken Nugget um Nugget ein.
Nabokov muss man mindestens ein Mal im Jahr lesen.

Sunday, March 10, 2019

T.C. Boyle - Ein Samurai in Savanah

Roman als kleines Kulturclash-Spektakel. Halbjapaner wird in Südstaatensümpfen angespült und versetzt Establishment und Bauerntrampel in Wut und Aufregung. Sprachlich gekonnt, aber doch eher fleißige Plotwerkverarbeitung.

Tuesday, February 26, 2019

Modiano, Patrick - Damit du dich im Viertel nicht verirrst

Guter kleiner Roman, der sich anhand einiger zufälligen Begegnungen, des Pariser Stadtplans aus mehreren Jahrzehnten und eines Geheimnisses materialisiert, das nicht gelöst wird. Aber man folgt melancholisch staunend, so wie man manchmal einem fremden Menschen auf der Straße noch ein wenig - und sei es in Gedanken - nachläuft.

King, Stephen - Sleeping Beauties

Langer, solider King. Wie immer ist das Abarbeiten des zuvor aufgehäuften Plot-Bergs etwas mühsam. Aber die Studie des Kleinstadtlebens wieder beachtenswert. Da wird immer liebevoll eine Welt aufgebaut, die dann zerstört werden muss, so will es das Spiel. Wie früher, wenn man lange die Spielzeugarmee in Stellung brachte - bis zum Krawumms.

Galbraith, Robert - Die Ernte des Bösen

Guter Strike, obwohl diesmal etwas breitgetreten und das Abarbeiten der Verdächtigen und die Zickereien zwischen dem Detektiv und seiner Partnerin. Fällt daher gegenüber seinen Vorgängern etwas ab.

Colin Thompson - Bücher öffnen die Welt

Nettes Bilderbuch für Büchernarren mit struwelpetrischer Moral.

Wednesday, February 13, 2019

Robert Seethaler - Der Trafikant

Sehr schöne Geschichte, starke Sprache. Widerstand!

Joe R. Lansdale - Gauklersommer

Klasse Krimi. Alles, was Lansdale macht, ist unglaublich gut.

Ludwig Tieck - Der blonde Eckbert / Der Runenberg

Fantastische Geschichte, die man immer mehrmals im Leben liest.

Stephen King - Der Outsider

Anfangs sehr starker King, dann immer noch recht guter.

John Crowley - KA

Düstere Weltgeschichte als Fantasie einer Krähe.

Peter Neumann - Jena 1800

Literarisches Sachbuch über attraktivste Clique der Weltliteratur. Manchmal etwas stofflos.

Mikhail Shishkin - Venushaar

Stimm-Collage als Roman, häufig anrührend und stark.