Tuesday, March 29, 2005

Der zweite Engel

Nach langer Zeit mal wieder ein Kerr-Buch. Er ist ein Meister. Und wieder ist da eine ganze Welt entstanden, voller akribisch recherchierter Details und unendlichem Erfindungsreichtum. Wahrscheinlich ist Kerr nur deshalb nicht so berühmt wie Crichton und Co, weil er zu viel von allem Guten liefert. Und so souverän ist er, dass er sich zwischendurch richtige Essays über das Schreiben und Geschichtenerzählen leistet. Kenne keinen besseren Thriller-Autoren, auch wenn das nicht unbedingt meine Welt ist und mich immer ein wenig an die Mark Brandis-Romane in der Buchloer Stadtbücherei erinnert. (Ja, die haben mich in ihrer Aufgreihtheit immer richtig angemacht. Gelsen habe ich aber höchstens eines oder zwei. Und die wahrscheinlich nicht zu Ende. Das passiert einem bei Kerr nicht.)

Thursday, March 24, 2005

Doktor Faustus

Den Doktor Faustus empfahl mir ein Deutschlehrer in der 10. Klasse, den ich um Lesetipps bat. Ich hatte ihm meine Vorlieben mit „unheimliche“ Romane mit „Schauerelementen“ mehr oder weniger deutlich charakterisiert. Ich nehme mal an, dass er selber das Buch nie gelesen hatte, aber wusste, dass darin der Teufel vorkam. Ich besorgte mir das Buch in dieser weichen, enggedruckten Taschenbuchausgabe mit dem vergilbten Papier und einem grüblerischen, bärtigen Intellektuellen auf dem Cover. Bei meinem ersten Versuch kam ich ungefähr bis auf Seite 80. Kein Teufel, kein gar nichts. Irgendwie interessant, dieser Leverkühn, aber im Großen und Ganzen nichts für einen 16-Jährigen, dessen Lesesozialisation bislang hauptsächlich durch die Romane von Karl May, Stephen King und allenfalls Ernest Hemmingway vonstatten gegangen war. Aber das Buch blieb bei mir. Nicht zuletzt die Aufmachung gefiel mir und passte zum Image eines einzelgängerischen Intellektuellen. Außerdem war ich mir sicher, dass es ungeahnte Reize und Geheimnisse barg, die ich schon noch ergründen würde. Jedoch, andere Bücher von Thomas Mann kamen früher: Tonio Kröger, Der Zauberberg, Buddenbrooks und viele Erzählungen. Den Faustus las ich zum ersten Mal unglücklich verliebt als Zivildienstleistender während eines langen heißen Sommers am Stanberger See . Ich las ihn folglich als schwerblütige Liebesgeschichte und bezog alles – Kälte, Kunst und Liebesverbot – auf mich und meine Situation. Außerdem fing ich natürlich an, meine Kollegen nächtelang mit Wagner und Beethoven zu nerven...Ich las das Buch ganz langsam, versuchte zu verstehen und wo ich nichts verstand, bildete ich mir wenigstens ein, zu ahnen. Wahrscheinlich lag es an der Konstellation: Sommer, Verliebtheit und aufkeimende Lust am Denken, die den Faustus so zu meinem Buch werden ließen... Ich las es noch mehrmals, schrieb Seminararbeiten darüber, wurde sogar über das Buch geprüft. All das hat es mir nicht verleidet. Und als ich dann später selbst Geld verdiente, leistete ich mir die 20 Kasetten-Lesung von Gerd Westphal. Seither höre ich sie ein Mal im Jahr, meist beim Spazierengehen im Frühling. Ich ertappe mich dabei, wie ich ganze Passagen auswendig mitsprechen kann...Übrigens ging mir meine so geschätzte Taschenbuchausgabe schon vor Jahren bei einem Umzug verloren. Ich habe den Faustus natürlich mittlerweile in einer gebundenen Fassung. Trotzdem hoffe ich, jenem weichen, weißen Büchlein mit dem vergilbten Papier und dem Grübler auf dem Cover irgendwann auf einem Flohmarkt oder in einer Kruschtelkiste eines Antiquariats wiederzubegegnen...

Wednesday, March 23, 2005

Der Geschichtenverkäufer

Mal wieder was aus dem hohen Norden. Fängt ganz gut an. Eine interessante Figur, dieser Geschichtenhändler. Bis jetzt wird eigentlich nur episodenhaft aus der Kindheit erzählt, obwohl doch der Anfang so etwas wie einen spannenden Plot erwarten lässt. Da schleicht sich ein wenig der Eindruck kompositorischer Nachlässigkeit ein.
Schade, schade nur, dass sofort klar ist, um wen es sich bei der Bekanntschaft am Schluss handelt (man ahnt es eigentlich ab dem Augenblick, in dem Maria dem Erzähler ihr unmoralisches Angebot unterbreitet). Viele Ideen scheinen ja drinnen zu stecken in dem Buch, aber taugen die wirklich für Romane?
Jedenfalls ist es runter gegangen wie Öl und das ist ja das wichtigste, oder?

Monday, March 21, 2005

Rattenzauber

Las fast den ganzen Roman an einem Tag. Herrlich bei Meyer der ausgewogene Prosatakt. Die Bücher gehen runter wie Öl. Das Atmosphärische auch wieder sehr schon wie schon in den Geistersehern. In der Mitte des Buches wird es recht Mysteriös mit drohendem Ich-Verlust und solchen Sachen. Vielleicht macht er ein Spur zu viel herum damit. Es gibt ein paar nette erotische Streifschüsse und irgendwann bekommt man den Verdacht, dass der Held nicht besonders helle ist. Ein wenig Schade ist, dass die Böse am Ende arg an den Haaren herbeigezogen wird. Das ist überhaupt immer das Problem mit solchen Plot-basierten Geschichten. Man muss nur nachzählen, wer am Ende übrig bleibt, dann hat man den Täter. Also Plot, naja; Figuren ok, Atmosphäre top.

Thursday, March 17, 2005

Milchgeld - ganz was anderes

Ein Roman, der im Allgäu spielt. Heimatluft nicht zu knapp. Käse, Kühe, Kluftinger. Macht aber Spaß. Und zeigt, dass es alles auch im kleinen Rahmen geht.

Wednesday, March 16, 2005

Die Geisterseher

Habe ich schon gesagt, dass das sehr schön gemacht ist? Immer mit ganz feiner ironischer Feder. Übrigens hat Kai Meyer eine lesenswerte Homepage: www.kaimeyer.de

Wird wohl heute fertig. Dann weiter im Text. Es geht immer weiter im Text.

Tuesday, March 15, 2005

Fertig mit dem schwarzen Haus

Also fertig. Am Schluss geht er hinüber, Jack Sawyer. Ein Held, den man nicht so leicht aufgeben sollte und der noch einiges richten könnte hier oder dort - wohl eher dort. War er nicht überhaupt der Pionier der jenseitigen Regionen? Das schwarze Haus hat jedenfalls mein Interesse für die Turm-Serie geweckt.

Der Showdown ist natürlich lächerlich und Gott sei Dank sehr kurz. Überhaupt hört alles recht schnell auf. Auf den letzten 50 Seiten des 830-Seiten-Schmöckers werden ruckzuck die beiden Erzbösewichte gekillt, der Junge befreit, Tausende von Kindern aus der Sklaverei der Kombination befreit (mir ist entgangen, wozu die überhaupt da war) und das schwarze Haus niedergebrannt. Am Ende erwischt es noch den Oberhelden, der geht nun für immer in seine ewigen Jagdgründe ein und bekommt eine Königin.

Wie soll man das alles werten? Ich habe das Buch jedenfalls verschlungen, in Null-Komma-Nichts war es durch. Und ich weiß auch, dass ich mich daran erinnern werde. Die Personen sind wie immer bei King sehr stark. Jack natürlich, aber vor allem Henry, Judy und die Nebenfiguren Beezer, Dale, Marshal. Die Riege der Bösewichter, also Bierstein, Munshun, der Zeitungsfritze bleiben etwas auf der Strecke. Die Handlung, nun ja. Im Gegensatz zum Talisman kein Roadmovie, sondern alles im engen Kleinstadtzirkel mit einigen prominenten Orten der Handlung: Altersheim, Imbiss-Bude, Wohnhäuser. Dann das schwarze Haus, als Schleuße zur anderen Welt. Und ein paar kleine Landausflüge in die Territorien oder andere Grenzgebiete. Dort wird dann meistens jemand umgebracht oder vergleichbares. Alles ein wenig wirr und unentschieden. Es gibt keine besonderen Rätsel zu lösen, der Mörder ist bekannt und wäre eigentlich nicht schwer zu schnappen. Aber rätselhafter Weise scheinen die Behörden sehr lethargisch. Dann wird die Auflösung in eine andere Welt verschleppt. Hätte man aber auch hier erledigen können. Ein Paar Motive bleiben blind. Zum Beispiel die Idee, dass sich in diesem Serienmörder alle möglichen Serienmörder verkörpern und so weiter.

Schön sind einige Zwischentöne: Die Sinneswelt des Hörers Henry Leihden, hier bereitet sich der erblindende Stephen King auf sein Schicksal vor. Dann die Verbindung Reise-in-die Parallelwelt - Lesen, die auch immer mitschwingt.

Aber es zeigt sich wieder: Es sind die Personen, nicht die Handlung. Die kann man allenfalls spannend finden, während man die Personen lieben und hassen darf.

Bei Stephen King sind es immer die Personen. Man hat es als Leser nicht gerne, wenn sie in Blut und Gedärm wühlen müssen. Am liebsten hat man sie, wenn sie sich zum Beispiel als Freunde aus Bleakhouse vorlesen oder beim Bier über Schopenhauer unterhalten oder Musik hören oder einfach nur gehen und schauen und für uns fremde, schöne Welten entdecken.

Monday, March 14, 2005

Das schwarze Haus

Das schwarze Haus neigt sich dem Ende entgegen. Die Wiederbegegnung mit Stephen King. Und schon schleicht sich leichter Verdruss ein. Das ganze Blut und Wühlen im Gekröse am Ende nivelliert viel Gutes vom Anfang. Nein, es nivelliert es nicht, kann es ja gar nicht. Aber es ist Schade - wie immer.

Wednesday, March 09, 2005

Das schwarze Haus

Da ist es wieder, das Verschwinden in den Territorien/in der Region. Wie beim Lesen. Stephen King hat mit den Territorien eine der schönsten Lese-Allegorien geschaffen.

Und Wolf. Wolf.

(Jack Sawyer sollte unbedingt von Johnny Depp gespielt werden, falls es dazu kommt.)

Der Talisman

Warum den Talisman von Straub/King nicht zum Lieblingsbuch erküren? Ist aufgenommen in den Leseolymp. Und ich habe meine gebundene Ausgabe eines düsteren Tages im Wahn, für meine unzähligen King Bücher Geld für eine eigene Wohnung ansparen zu können, zum Trödler getragen. Und wie wenig sie (es war eine verkruschtelte Trödlerin irgendwo in Augsburg) mir für die Bücher gezahlt hat... The man who sold the world - eine Geschichte von Schuld und Irrtum...

(Bestellt, bei Amazon. Die Ausgabe matched mit dem schwarzen Haus, immerhin.)

Tuesday, March 08, 2005

Die Geisterseher

Nicht von Schiller, aber schön skruil an ihn angelehnt: Die Geisterseher von Kai Meyer. Schön das parodistische und der starke Prosatakt. Wild romantisch im besten Sinne.

Connie Palme - Die Erbschaft

So einfach kann es sein. Eine todkranke Schriftstellerin holt sich einen Leser ins Haus, um mit ihm die letzten Dinge zu ordnen. Der junge Mann wird zu ihrem Eckermann; dann verliebt er sich in sie. Das Verlieben steht unter einer herrlichen Reminiszenz auf Das Schweigen der Lämmer:

Hannibal Lecter: Und was begehren wir?
...
Hannibal Lecter: Wir beginnen zu begeheren die Dinge die wir jeden Tag sehen.

Dazwischen Gespräche, Betrachtungen, Sentenzen von Leuten, die man sich als Freunde wünschte und die man für die Lesezeit dieses kurzen, viel zu kurzen Buches vielleicht auch hat.

Friday, March 04, 2005

Heimkehr - Stephen King

Als ich 16 war waren seine Bücher genauso wichtig für mich, wie Freunde, Iron Maiden, Camel oder Mädchen. Sie gehörten zur Jugend. Shining, immerhin über 500 Seiten las ich an einem Tag. Viele Gestalten werden mir für immer unvergesslich bleiben: der Besitzer von Christine, dessen Namen mir nicht mehr einfällt, Paul Sheldon, die ganze Bande aus ES, der Typ aus Dead Zone, Jack Sawyer, Carrie, Ben aus Salem's Lot, Randolph Flagg. Die Bücher waren mir so wichtig, dass ich sie sogar als teure und für einen Schüler, der Camel rauchte und Musik liebte, unerschwingliche Hardcover kaufte.

Dann kam der Leistungskurs Deutsch. Anschließend das Studium. Literaturwissenschaft, die Ausbildung zu einem Lieratur-Freak. Stephen King gestand ich mir nicht mehr zu. Stephen King offenbarte eine Grenze. Wenn etwas wie Stephen King war, dann war es jenseits des Respekts und wurde nicht gelesen.

Viel Angst vor Verunreinigung war da dabei. Sich rein halten für die wahre Literatur, weil man die längst als Religion angenommen hat. Ein Stephen King hat in diesem Bild keinen Platz. (Komischer Weise ein Bukowski schon; wahrscheinlich wegen der sozialen Dimension und des seriöseren DTV-Verlags.)

Natürlich erinnerte ich mich hin und wieder an die seligen Stunden als Jugendlicher. Die wurden mit der "höheren" Literatur seltener. Ein Mal versuchte ich eines, Schlaflos, legte es aber nach 50 Seiten weg. Needfull Things las ich als erstes und einziges Buch von King auf Englisch - ohne große Lust und in der Selbsttäuschung, meine Sprachkenntnisse auffrischen zu wollen.

Jetzt, mit der neuen Offenheit eines Grenzlandbewohners habe ich mit Das schwaze Haus die Fortsetzung meines Lieblings-Kings, Der Talismann, zugelegt und es schein alles wieder da: die Versunkenheit, die Lust, der Flow.

Es ist eine Heimkehr.

Tuesday, March 01, 2005

Schlüsse I

Herr der Ringe: Nachdem er zusammen mit seinem Chef Mittelerde gerettet, Sauron vernichtet, sich in die schönste Elbin verguckt hat; nachdem der neue König vor Ehrerbietung vor ihm auf die Knie gegangen ist, er seine Heimat von Terroristen befreit hat und seinen besten Freund auf Nimmerwiedersehen verabschieden musste - kommt Sam nach Hause zu Frau und Kind und sagt: "So, da bin ich wieder." Eines der schönsten Beispiele für die Gänsehaut treibende Kraft der Lakonie.