Friday, November 27, 2015

Musil meets Krimi: Heinrich Steinfest - Tortengräber

Typisches Steinfest-Setting: Urbaner Außenseiter mittleren Alters mit einem kleinen, unschuldigen Tick wird zufällig in ein absurdes Verbrechen verwickelt. Man hat den Verdacht, dass sich Steinfest selbst Krimirätsel a la Black Stories stellt. In diesem Fall: Mann kauft Croissant, findet auf Bäckertüte Telefonnummer, ruft an und wird kurze Zeit später verhaftet. Warum? Zugegeben, das ist clever.


Aber wegen dieser Cleverness liest man Heinrich Steinfest nicht. Auch nicht, weil man einen spannenden Krimi erwartet. Steinfest liest man, weil bei ihm der ganze Prosa-Aufbau nur dazu dient, ihn mit teils funkelnden, teils einfach nur rankenden Reflexionen zu verzieren. Kostprobe:

Die Wiener Bürokratie ist ein Chaos, in der ein Titel und eine diesem Titel gemäße Physiognomie und Etikette eine ordnende Größe darstellen, an die man sich halten, an der man sich tatsächlich festhalten kann, während der Boden unter einem schwingt.

In anderen Steinfest-Büchern gibt es mehr davon, Tortengräber ist hier zurückhaltender, als beispielsweise Gewitter über Pluto oder Der Umfang der Hölle. Diese aphoristischen Einsprengsel, die manchmal Musil-Dimensionen annehmen können, machen Spaß. Hin und wieder mögen sie auch ein wenig nerven, aber deshalb legt man das Buch noch lange nicht aus der Hand.

Hahnebüchener Plot

Schließlich gibt es ja auch immer eine herrlich abstruse Krimihandlung und Figuren aus dem Kuriositätenkabinet. Die Figuren tragen Namen wie Gähnmaul oder Herbart Hufeland sind alleinstehende Lebensmitteltechniker oder spleenige Bäcker und trumpfen mit überraschenden Talenten auf.

Und was den Plot angeht: Die Tochter aus Industriellenfamilie wird entführt und kurze Zeit später tot aufgefunden. Als Erklärung werden mehrere Varianten ins Feld geführt, die allesamt hahnebüchen sind und den Leser in die Irre führen. Einziges Manko: Gegen diesen Witz muss jede reale Lösung zwangsläufig abkacken.

Und das tut der Tortengräber am Ende auch ein wenig. Nachdem sich der Spaß leer gelaufen hat, beendet Steinfest die Geschichte relativ lustlos. Was dem gesamten Lesevergnügen aber keinen großen Abbruch tut.

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