Friday, October 21, 2005

Safranskis Schiller

Schiller. Noch ein Mal?
Es gibt Bücher, die einem relativ schnell das Gefühl vermitteln, dass sie einem etwas Wichtiges, Bahnbrechendes zu sagen haben (das ist natürlich eine Platitude, aber trotzdem wahr.) Diese Bücher liest man voller Andacht, man zügelt das Tempo, damit sich nichts unreflektiert verflüchtigt zwischen den Zeilen – was dann natürlich trotzdem geschieht, da mag man die Sätze unterstreichen oder abschreiben oder auswendig lernen, genau genommen lebt die Erkenntnis nur immer einen kurzen, aufwühlenden Augenblick und schon wird es wieder dunkel. Ähnlich geht es Hans Castorp nach seinem Schneeerkenntnistraum, der gleichsam seine gesamte Existenz aufhellte – und am nächsten Tag so gut wie vergessen war.
Mancher mag da fragen, warum dann die ganze Veranstaltung? Weil diese Augenblicke – wie eine Droge – nach mehr verlangen.
Schiller zählt zu meinen Initiatoren. Die Räuber und Don Carlos kamen parallel zu Karl May und Stephen King. Dann trat er mehr und mehr hinter andere, Thomas Mann, Goethe, Shakespeare. Eigentlich hielt ich ihn für abgetan (man ist ja manchmal froh, etwas abtun zu können, der literarische Reichtum ist ja schwer er-träglich).
Das Buch fand ich in der Ramschkiste beim Hugendubel – war wohl das Ansichtsexemplar. Ich begann mit der Lektüre, unterbrach sie aber am Anfang, nahm sie nach zwei, drei anderen Büchern wieder auf, und las das Buch in einer guten Woche ganz durch.
Es hat etwas geschafft, wofür ich dem Autor und seinem Buch (irgendwie beiden, zu manchen Büchern hat man ja so ein persönliches Verhältnis) dankbar bin. Es hat mir Schiller nicht nur wieder ans Herz gelegt, es hat mich viel mehr bekannt gemacht mit einem der faszinierendsten Menschen, die ich je getroffen habe.
Was war das für ein Mensch! Diese unerschütterliche Zuversicht trotz der Widerstände, trotz der Krankheit, diese Vielseitigkeit des schöpferischen Willens, dieses glückhafte Talent des Gelingens. Einen solchen Freund zu haben – was für eine gewaltige Inspiration das wäre!
Safranski gelingt es hervorragend, den Leser anzustecken mit seiner Denk-Lust, seiner Bewunderung, seiner Liebe.
Schiller? Immer.

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