Wednesday, October 12, 2005

Amanda herzlos

Ich war auf einer Lesung in Augsburg, Becker mit Amanda herzlos. Der Saal war zu groß, das Augsburger-Bildungsbürgertum spärlich vertreten. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich langweilte, ich glaube nicht. Bei der anschließenden Fragerunde gab es keinen weiteren Diskussionsbedarf. Danach ließ ich mir Jakob der Lügner signieren.
Ich musste Amanda herzlos nicht unbedingt lesen.

Dann starb Becker. Vorher gab er noch ein Interview im Spiegel. Das Bild von ihm erschütterte den sporadischen Becker-Leser.

Er galt als einer der "amerikanischsten" Autoren. Das bedeutete: locker, lebendig, lesbar.

Vor einiger Zeit auf einem Bücherbasar erstand ich dann Amanda herzlos in einer frauenfreundlichen Sonderedition des Suhrkamp-Verlags. Kostete 50 Cent. Kaufte es, stellte es ins Regal.

Einige Zeit später berief sich der Literatur-Chef der Süddeutschen überraschend auf den Roman, als er in einer Beilage noch mal den U-/E-Diskurs reflektierte. Er meinte, glaube ich, dass man Becker damals für zu unterhaltend fand, dass Niveau seitdem aber auf einem ganz anderen Level angelangt sei. Anlass war die Besprechung einer Biografie über Becker, die mich mehr interessierte, als ein Roman von ihm. Wahrscheinlich auch wegen des Bildes im Spiegel.

Jetzt also der Griff ins Regal, ich weiß nicht warum. Ich las den Roman in wenigen Tagen und amüsierte mich, fand ihn an manchen Stellen vielleicht etwas zu breit auserzählt. Ranicki würde sagen, 200 Seiten hätten es auch getan. Am besten gefiel mir die mittlere Episode mit dem in die Jahre kommenden Schriftsteller. Da gerät das Ganze zu einer sehr genauen, tragikomischen Studie.

Ein wenig auch Sittengeschichte der DDR, muffig, prüde.

Und natürlich das Schlussbild, wo Amanda kurz vor der Ausreise ihr Kind wiegt und ihm den Westen schön redet und dabei ein Leben aufscheinen lässt, in dem der Ich-Erzähler überhaupt keine Rolle spielt. Wäre eine starke Filmszene.

Alles in allem: gut.

Wenn auch vielleicht der letzte Becker-Roman, den ich lesen werde.

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