Friday, October 07, 2005

Brasilien

Eines von diesen Büchern, die ich mir in einem Updike-Rausch gekauft habe und das ungelesen liegen blieb, nachdem der Rausch verflogen war. Wohl habe ich die ersten Seiten damals gelesen, ein Eselsohr auf Seite 15 erweckt den Anschein, doch vermochte das Buch nicht, seinen Funken auf mich abzugeben. Die Fabel – schwarzer Junge, weißes Mädchen, arm, reich, Voodo und Identitäts-Switch – kannte ich aus den Besprechungen, aber wegen dem Plot liest man keine Updike-Bücher. Updike-Bücher liest man wegen dem Funkeln und Glitzern, das einem aus jedem Satz in die Augen springt; wegen der geradezu beschwörerischen Plastizität der beschriebenen Landschaften, Männer, Frauen, Kinder, Katzen, Dinge, Seeleregungen; wegen der Prägnanz der Maximen über Vergänglichkeit des Daseins, die man wie barocke Goldmünzen einsammeln kann, nicht um sie auszugeben, sondern still für sich zu betrachten und in der Handfläche zu wägen...Aber wie von allem Guten kann man sich auch von zu viel Updike den Magen verderben und es geht einem wie dem Chandos mit seinem Überdruss an den vielen Sprachpilzen. Deshalb war das Buch damals, vor zehn Jahren, liegen geblieben. Ungelesen ist es mit mir gewandert, hatte auf verschiedenen Regalstellplätzen in einem halben Dutzend Wohnungen Platz genommen, hatte Staub angesammelt, seine Seiten waren gelb geworden, wie Menschen grau, das Design des Cover-Bilds hatte seinen modischen Schnitt verloren und sah nach vergangener Dekade aus. Man hat ja viele solcher Bücher. Das schlechte Gewissen, das ihre Jungfreulichkeit einem einflößt, beschwichtigt man durch Vorstellungen wie: „Das ist ein Schatz, den es noch heben gilt“; oder „Der Wein wird noch reifen“. Und häufig kommt dann tatsächlich irgendwann die Zeit, in der man es packt und man liest es mit besonderer Sorgfalt, vielleicht etwas gönnerhaft, und man ist Stolz darauf, dass man es geschafft hat, dass man die 16 Mark 90 – ja, damals gab es noch D-Marken – nicht umsonst ausgegeben hat, sondern gut angelegt, daraus drei, vier Abende erfreulicher Lektüre gewonnen hat.

Die Kritik war damals bei Erscheinen nicht erfreut. Man beanstandete die Pornografie, die ekelhaften Metaphern, den albernen Plott, das Reportagenhafte, die Holzschnittartigkeit der Figuren, die Klischeehaftigkeit der Liebesgeschichte, das Sabbernde, das Schlüpfrige, Missglückte und Missratene. Das literarische Quartett, lauter rückhaltlose Updike-Fans, verriss das Buch gnadenlos.

Ich mochte es. Aus verschiedenen Gründen:
- weil es ein Updike ist
- weil es Updikes Sprache ist
- weil es mich unterhalten hat
- weil ich einiges über Brasilien erfahren habe. So was nimmt man doch immer ganz gerne mit
- weil der Schluss sehr schön ist. Auf seine Art
- weil es mir die moralische Befriedigung verschafft hat, es doch noch gelesen zu haben
- weil ich die Idee mag, einfach ein Buch über irgendwas zu schreiben, was scheinbar oder gar nicht scheinbar keinen Bezug zu einem selbst hat
- weil ich das Format der Rororo-Taschenbüchern liebe
- weil es mal ein Buch war, in dem es nicht um ücher und Lieratur ging, sondern um Charaktere
- weil es auch ein wenig abenteuerlich zu ging
- wegen diverser sätze und Bilder, die nachschwingen, wie Musik

weil.

Ich habe übrigens noch den Zentauren im Regal. Sehr 80er Jahre gestylt, das Cover noch relativ weich, die Seiten ganz gelb, die Schrift unangenehmn klein.

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