Sunday, September 13, 2009

Die Romantik - Rüdiger Safranski

In der Hörfassung von Audible, vor allem gehört auf Bergwanderungen durch die Wildschönau.

Ich fand es tröstlich, so viel gutes über die Romantik zu hören, ist sie doch in den letzten Jahrzehnten ziemlich unter die Räder gekommen. Zu Unrecht: In ihr gibt es lauter Perlen von Ideen, die das Dasein auf diesem so smart gewordenen Planeten bereichern.

Wie diese Quintessenz der Romantik von Novalis, diesen Evergreen alles Romantischen:

Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.
Dem Gemeinen einen hohen Sinn geben, dem gemeinen Gang zur Arbeit, den gemeinen Gesichtern im Pendlerzug, den gemeinen E-Mails im Postfach mit den gemeinen Aufgaben für den gemeinen Tag - das Bedarf geübtem Phantasie-Scretchings. Was denkt die gemeine, nicht mehr ganz junge Frau gegenüber wirklich und wovon träumt sie mit dem halbgeöffneten Schlafmund? Und wie wäre es, wenn sie eine Widergängerin einer Mutter, einer Braut, einer Ehefrau wäre, die einmal im Schatten einer Wolkenstein'schen Burg einen ähnlichen Traum nachging - oder sogar einem identischen?

Klar, ist die Romantik immer nahe am Kitsch und am Sentimentalen - und was anderes ist die Aufforderung von Novalis. Aber es müssen ja gar keine Postkarten sein. Selbst die Warenwelt mit ihren Magazinen und Werbespotts ist heute voller - ja: romantischer - Hinterhöfe, Schrott und grauem Wetter.

Freilich, manchmal ist man zu müde, sind die Fensterläden der Imagination so völlig vernagelt, dass es einfach nicht geht - das romantisieren. Auch das hat die Romantik aufgenommen - in Form von Weltschmerz und Langeweile.

Fazit: Die Romantik ist nicht irgendeine Epoche, sondern sie zählt zur psychischen Disposition eines entwickelten Bewusstseins. Nur weiß dieses manchmal nichts davon. Oder hat es vergessen. Es ist Safranski zu danken, dass er dem in seinem Buch gegensteuert.

No comments: