Wednesday, July 05, 2006

Eisvogel

Die Anziehung des Titels, des Covers und der Vorschusslorbeeren war gewaltig und so habe ich kurzerhand zugegriffen und auch gleich angefangen, dies, obwohl sich gerade sehr viele andere Bücher um mich herumstapeln, denen ich förmlich entgegenfiebere. Ich las das erste Kapitel (Kapitel? Abschnitt? Beschreibungswelle?) im Spätzug aus München in einem überhitzten und überfüllten Abteil voller Business Men und Women, die nervös auf Laptoptastaturen eindroschen, argwöhnisch Kurzmitteilungseingänge beäugten oder mit den gelben Seiten der FTD raschelten. Aber das spielte keine Rolle. Ich wusste, dies war ein Buch, das es langsam zu lesen galt. Hier geht es um Beschreibungen, Sichtbarmachen einer Welt.
Dachte ich. Doch dann wurde mir gleich zu Beginn die Fetzen eines Krimiplotts um die Nase gehauen. Ein Schuss, ein Mord, dann 300 Seiten Aufdröselung wie es dazu kam.
Wie kam es dazu? Ich weiß es nicht und es interessiert mich auch nicht sehr. Denn der Krimi in Eisvogel, ebenso wie das ganze klischeesatte pseudopolitische Setup sind enttäuschend, ja geradezu lästig.
Man könnte eine ganze Liste an Dingen aufstellen, die in dem Buch zum Weinen sind:
- Der Held. Ein Möchtegern Non-Konformist, letztendlich spießbürgerlich zum Erbrechen. Pseudointellektuell, man möchte sich in allen Punkten den Urteilen seiner Schwester und seines Vaters anschließen. Sein Selbstmitleid ist unerträglich, der Leser wünscht sich ihn zum Teufel.
- Der Pseudo-Byron Kaltwasser. Eine Figur vom Reißbrett.
- Dieser ganze pseudorechte Schmuh, langweilig, veraltet. Wie gerne würde man mal eine Reportage aus dem wirklichen Milieu lesen.
- Die meisten "Außenkommentare" fremder Stimmen. Überflüssig.

Was kann bleiben:
- Manuela
- Der Philosophieprofessor als Messie
- Einige Beschreibungen
- Einige Jugendszenen aus Südfrankreich

Fazit: Da wurde einiges zusammengemanscht, um dem ganzen Länge zu geben. Das beste wäre, den ganzen Torso in einige Einzelerzählungen zerschlagen (wie es vielleicht ursprünglich gedacht war). Die Thriller-Konstruktion trägt das alles nie und nimmer. Sie erscheint wie ein Vorwand.
Der Eisvogel, das sollte eigentlich ein schmaler Band mit fünf bis sieben Erzählungen sein, die einen sensiblen Beobachter zum Mittelpunkt haben, der ein wenig impressionistisch, aber nicht weinerlich an der Welt leidet. Leider ist er ein pseudoaktueller, pseudophilosophischer Pseudothriller, der einen mehr Lesezeit kostet, als er am Ende Wert ist.

No comments: