Saturday, July 06, 2013

28 Wolf Haas - Brenner und der Liebe Gott

Nach längerer Zeit mal wieder ein Wolf Haas, von dem leider keine E-Books auf dem Markt sind. Leider war die Verteidigung der Missionarsstellung nicht vorrätig, daher also Brenner und der Liebe Gott beim Buchhändler meines Vertrauens erstanden. Schön übrigens mal wieder Papier in der Hand zu haben. Angenehmes Schriftbild, angenehmer Geruch, nur das Cover ist etwas daneben. Die Schokoladenrippen legen das Niveau einfach ein paar Etagen zu tief an. Denn was Wolf Haas in seinen Romanen liefert, ist viel, viel exquisiter, als Krimiregalware.

Die Story ist nicht großartig: Bauunternehmerkind entführt, geschmiertes Großprojekt, Wirtschaft, Bank und Politik in einer Jagdhütte. Aber der Plot ist nicht wichtig bei Wolf Haas. Viel wichtiger ist bei diesem Autor das Musilsche bzw. das Doderersche. Sprache und Kommentar vor Handlung und Charakter, hier übrigens auf einer Linie mit Heinrich Steinfest. Daher haben diese angetäuschten Krimis auch so ein angenehm anderes Lesetempo: schwerelose Gemächlichkeit. Die Fabulierlust lässt sich gerne aufhalten, um bei Szenen zu verweilen und Details unter das Vergrößerungsglas zu legen. Damit liefern diese Romane etwas genuin Literarisches, was das Fernsehen so nicht imitieren kann.

Einer der großen Haas-Kniffe ist die Wiederbelebung des auktorialen Erzählers, hier in Gestalt eines Kneipenplauderers. Das ist ziemlich irritierend, funktioniert aber. Interessant auch, wenn man diese Perspektive auf den Romantitel bezieht: Wenn Erzähler und der Liebe Gott identisch sind - und wer sonst sollte der Erzähler sein - dann kommt es an mindestens einer Stelle zu bedeutungsvollen Begegnungen zwischen ihm und seiner Hauptfigur. An mehreren Stellen scheint dann ein überraschender religiöser Lichtstreif durch die alltagsrealistische Konstruktion.

Fazit: Vier Stunden angenehm beschwingte Gedankenunterhaltung.

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