Saturday, May 01, 2010

Verratene Vermächtnisse - Milan Kundera

Diesen zweiten Essayband von Kundera habe ich schon vor einigen Jahren zum ersten Mal gelesen. Wie schon in der "Kunst des Romans" variiert er auch in diesen Texten seine Ideen zu Romanen, Musik, Europäischer Kultur etc.

Kundera hat eine eigene, sehr eingängige Theorie des Romans entwickelt. Irgendwo zwischen Philosophie und Psychologie verortet, dienen Romane dazu, eine menschliche Seinsmöglichkeit zu entdecken, der sich die Menschheit zuvor noch nicht bewusst war. Daher stellt er die Phänomonologie über die Narration.

Aber diese Theorie steht in diesem Buch weniger im Vordergrund. Hier prangert Kundera den vielfachen Verrat an, den die (Nach-)Welt an den großen Künstlern verübt. Paradebeispiel: Max Brods Weigerung, dem letzten Willen Kafkas Folge zu leisten. Der Grundgedanke: Die Überlebenden verändern den Urtext, die Urpartitur, ja ganze Lebensentwürfe der Künstler, um sie einem vielfach banalerem Schema einzupassen. So etwa Brod in seinem Schlüsselroman über Kafka.

Weitere Beispiele: Die Vereinfachung Janaceks und Strawinskis durch Zeitgenossen oder die Verhunzung einer Hemingway-Story durch die wissenschaftliche "Interpretation."

Das Gute an dem Buch:
- Alles ist sehr eingängig und leicht, obwohl es sich um "pure" Theorie handelt.
- Kundera ist jemand, der die Welt und ihre vorgeblichen Wahrheiten immer wieder in Frage stellt und dadurch sehr viel Überraschendes ans Licht bringt.

Als nächstes werde ich den "Vorhang" wieder vornehmen.

No comments: