Ein Blog über das Stöbern im Grenzland zwischen U und E. Ausflüge ins Landesinnere inklusive.
Thursday, January 30, 2014
Kontinent der Bücher
Große Enttäuschung. Die Qualität der Aufsätze ist durchwachsen ("der Tod Ines Roddes" im Doktor Faustus? Wie bitte?), die Auswahl der kanonisierten Werke zweifelhaft, die Briten und Russen sind seltsam unterpräsentiert (wo sind Amis und Barnes, Sorokin und Pelewin?). Bei den Interviews, die die Dekaden synkopieren, beschlich mich das Gefühl, es handle sich immer um das selbe Gespräch, das nie richtig anfängt. Nach der Lektüre habe ich gar keine Idee davon, was denn jetzt die europäische Literatur nach 45 ausmacht. Und das schlimmste: Das Interview mit der Lewitscharoff konnte aus rechtlichen Gründen nicht ins E-Book aufgenommen werden. Stattdessen gibt es nur einen Hyperlink. Danke für nichts.
Ian McEwan - Honig
Buch über Spione. Unbedarfte Geheimagentin heuert Literaten an zwecks Propagandasteuerung. Sie verlieben sich. Eifersüchtiger Kollege zerstört das Glück. Das ganze präsentiert als literarischer Taschenspielertrick. Grundsolide. Aber immer erwartet man von McEwan ein bisschen was größeres. Hörversion von Eva Mattes sehr schön gelesen.
Wednesday, January 29, 2014
Marjana Gaponenko - Wer ist Martha?
Bezaubernder kleiner Roman über einen steinalten und todkranken Ornithologen, Gelehrten, Einsamen. Er fährt zum Sterben nach Wien, wo er schöne Jugendtage erlebt hatte, mit Torte und der Entdeckung der Musik im Musikverein. Melancholische Gespräche über die letzten Dinge mit mehr oder weniger von ihm imaginierten Gestalten, Psychagogen, Seelenbegleiter. Besonders schön ein Kapitel über die Musik, das Nachdenken über die Rolle der Tiere auf unserer Welt und der erfrischende, eigene Ton.
Tuesday, January 28, 2014
Wilhelm Genazino - Die Liebesblödigkeit
Judith oder Sandra, der 52-jährige Apokalyptiker kann sich nicht entscheiden. Das ist die Folie, auf der Genazino seine Wahrnehmungsstreifzüge durch den Alltag diesmal unternimmt. Er trifft einige schrullige Typen wie den Postfeind und den Ekel-Professor, fürchtet sich vor den eigenen Krampfadern und der Farbe seines Urins und gerät in wachsende Panik angesichts der näher rückenden "Enderektion." Bei Genazino ist es völlig egal, was er für eine Story nutzt, es geht bei der Lektüre immer wieder um die kleinen Schönheiten und Wunder des Alltags. Auch hier wieder gelungen.
Monday, January 27, 2014
Rainald Goetz - Johann Holtrop
Kein Meisterwerk, wie vielfach beschrieben. Johann Holtrop, Top-Manager, ist kurzzeitig groß angesagt in der Welt der Kirchs & Co, fällt dann tief, ins Bodenlose. Historisch, Schröder-Administration, Wirtschaftskrise, Dotcom-Blase etc, pp. Einiges stimmt an der Schilderung dieser Welt nicht, die Gestalten werden mehr behauptet, als in ihrem Denken und Fühlen wirklich begreifbar gemacht. Lauter Entscheidungsmenschen, Menschen der Tat angeblich. Aber nie bekommt man etwas von diesen Entscheidungen und Taten mit, weiß nichts von deren Entstehung. Da hätte man mehr Licht drauf halten können, das ist alles schon immer fertig und erledigt. Psychologie, Enthüllung, Recherche, Realismus - das ist alles nicht das was Goetz ausmacht. Goetz ist vor allem eines: Ausdruck. Der ist aber an diesem Stoff etwas verschwendet, wie ich finde. Übrigens fühlte ich mich manchmal an Heinrich Mann erinnert: Der Ausdruckswille, die Verve, bei relativer Unbekümmertheit, ja Gleichgültigkeit gegenüber der Stimmigkeit. Habe es widerstrebend, doch nicht völlig ungern gelesen.
Sunday, January 26, 2014
Thomas Glavinic - Das größere Wunder
Was für ein Trip - las das in 1,5 Tagen durch. Kann mich gar nicht mehr erinnern, einen Roman deutscher Sprache mit einer solch gewaltigen Sogkraft gelesen zu haben. Da stimmt alles: spannende Rahmenerzählung (Mount Everst-Besteigung!) mit ausschweifender Lebensbeschreibung eines Mafia-Zöglings (inklusive großer Liebe, großer Freundschaft, große Schuld, große Geheimnisse und eine kleine Prise Mystery) etc.). Glavinic zeigt, dass das alles hier und heute auch geht. Schwächen? Vielleicht das übertriebene Globegetrottere, das hat etwas Nackte-Kanone-haftes, aber es gehört dazu und macht den unglaublichen Raumzugriff dieses Romans aus. Es ist ein Märchen, Hans im Glück meets Von einem der auszog..., toll erzählt!
Thursday, January 23, 2014
Haruki Murakami - Mister Aufziehvogel
Wie im Rausch gelesen - 765 Seiten in etwas über einer Woche. Gegen diese Art traumsicheren, intuitiven Erzählens können viele andere einpacken. Manchmal kommt man sich vor, wie in einem Independent-Game, einem bizarren Adventure. Es sind ein paar wenige Motive und Personen, mit denen Murakami da jongliert, und fast alles ist geradezu atemberaubend. Dabei alles so klar und einfach: Einem Paar entläuft der Kater, der Mann sucht ihn auf einem unheimlichen Grundstück, lernt ein seltsames Mädchen kennen, dann zwei noch seltsamere Frauen, dann verschwindet seine Ehefrau, dann und wann stößt er auf ein Zeichen, es gibt Tutoren, die ihn durch eine unbekannte Welt führen etc, pp. Ich kenne keinen, bei dem es sich so leicht, so sicher anfühlt.
Friday, January 10, 2014
Wie man den Bachmannpreis gewinnt - Angela Leinen
Gutes Buch über das Lesen und Schreiben und ganz allgemein über den Status Quo der Ästhetik in Sachen deutscher Gegenwartsliteratur, alles aufgehängt an den Beiträgen und Jury-Diskussionen des jährlichen Ingeborg-Bachmann-Preises. Sehr unterhaltsam, alles ist eingängig und witzig erläutert.
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