Wednesday, December 26, 2012

69. Der Buchhändler von Archangelsk - Georges Simenon

Das sagt der Klappentext: 
"Jonas Milk, 40, ein sanfter und sensibler jüdischer Flüchtling aus Russland, Buchhändler in einer französischen Kleinstadt, liebt Bücher, Briefmarken und seine junge, untreue Frau Gina die eines Tages mit den teuersten Briefmarken spurlos verschwindet. Sie ist nach Bourges gegangen , sagt Milk, wenn er im Bistro gefragt wird, wann seine Frau wiederkommt. Und macht sich dadurch täglich immer verdächtiger. [ ] Dann erfährt er etwas, was ihn auf einen Schlag von jedem Verdacht reinwaschen könnte. Für mich einer der schönsten Simenon-Romane, den ich jedes Jahr mindestens ein Mal wiederlese." Pierre Assouline/Le Monde, Paris

Ein sehr guter, weil völlig geradliniger Roman. Mit ganz wenigen, genau gesetzten Pinselstrichen ist alles da: Atmosphäre, Details, Spannung. 

Die häusliche Geborgenheit z. B.: 

Manchmal spazierten die Mäuse durch die Kammer, wenn Gina und er im Bett lagen; sie kamen bis zum Fußende des Bettes, neugierig, so konnte man meinen, zu sehen, wie die Menschen schlafen, und die menschliche Stimme erschreckte sie nicht mehr.

Der Buchhändler, ein Fremder, fühlt sich an dem kleinen Marktplatz zuhause, eben weil er nicht zu den Straßen gehört, wo "die Leute in ihren Häusern wie in hermetisch verschlossenen Kammern wohnen und wo einer kaum seinen Nachbarn kennt."

Aber nachdem seine Frau verschwunden ist, er sich verdächtig gemacht hat, wird deutlich, dass er für sämtliche Nachbarn trotzallem ein Fremder geblieben ist:

Von einem Tag aus den anderen war er wieder ein Fremder geworden, einer aus einer anderen Sippe, einer anderen Welt, der gekommen war, ihr Brot zu essen und eine ihrer Töchter zu nehmen.
Dabei ist Jonas einer der liebenswertesten, harmlosesten Zeitgenossen:

In Wahrheit lebte er in seinem Innersten ein reiches und vielfältiges Leben - das der ganze Place du Vieux-Marché, des ganzen Viertels, dessen leiseste Pulsschläge er kannte.

Aber all der lokale Pantheismus stößt auf animalische Fremdheit. Daraus resultiert die tiefe Enttäschung, nicht aus der Untreue der Ehefrau. 

Eine einfache, eindringliche Geschichte, erzählt von einem Virtuosen der Klarheit. 



Saturday, December 15, 2012

68. Indigo - Clemens J. Setz

Anfangs sehr gut, aber ab der Hälfte sich in Abstrusitäten verlierend. Schüttet reichlich Zettel aus seiner Sammelkiste. Ein guter Schreiber. Aber dann zerfasert das ganze so, dass einen der Plot irgendwann nicht mehr sonderlich interessiert. Mahlstädter Kind ist besser, da kann man hin und wieder ab-Setz-en.

67. Josef Anton - Salman Rusdie

Geschichte der Fatwa. Bewunderungswürdig. Aber ob er ein angenehmer Zeitgenosse ist? Nicht sher nett, was er über einige seiner Freunde ausplaudert, zum Beispiel über Herold Pinter, der ihm mit gefaxten Gedichten auf die Nerven fiel.
Selbstdarstellung erinnert an Thomas Mann, die ja auch nicht unbedingt sympathisch ist. Aber darum geht es ja nicht. Es geht immer, immer um die Bücher. Oder?