Friday, November 29, 2013

Alwin - Friedrich de la Motte Fouque

Romantischer Roman mit Affären, Rittern, Sängern, Predigern, Eremiten etc. Stellen von betörender Schönheit, dann wieder blasse Lieder und geradezu Tom-und-Jerry-haftes Getümmel von lächerlicher Gespreiztheit. Die Sprache teils kräftig, teils grotesk anarchisch.

Wednesday, November 27, 2013

Stephen King - Todesmarsch

Eines seiner besten: Düstere Zukunftsvision, Amerika unter einer Militärdiktatur, 100 Jungen machen sich auf den jährlichen "langen Lauf". Einzige Regel: Wer stehen bleibt wird erschossen. Ganz groß ist King immer dann, wenn er jugendliche Protagonisten wählt und deren Freundschaften beschreibt. Das große Thema dieses Buches ist das Sterben und er hat es brillant und furchteinflößend durchexerziert.
(Passenderweise als Hörbuch beim Laufen gelesen).


Thursday, November 21, 2013

Selma Lagerlöf - Gösta Berling



Der Empfehlung aus Rolf Vollmanns Wundertruhe Die wunderbaren Falschmünzer einmal mehr gefolgt. Es ist schon erstaunlich, was sich dem Leser da für Kostbarkeiten immer wieder offenbaren (und schön ist es auch, dass sie alle jetzt über das Internet gleich zur Hand sind). Rolf Vollmanns Romanverführer und die Erfindung des E-Books, was für ein Segen für den besessenen Leser, der hungrig nach immer neuen Lesewelten strebt.

Gösta Berling von der Literaturnobelpreisträgerin Selma Lagelöf ist ein Roman in 36 Einzelepisoden, die mehr oder weniger miteinander verknüpft sind. Gösta ist ein Pfarrer, der aufgrund seiner Trunksucht geschasst wird und als Bettler durch die Gegend zieht. Eine Gutsbesitzerin - die Majorin - nimmt ihn in ihren Kavaliersflügel auf - ein Teil ihres Gutes, auf dem bereits eine Reihe weiterer schräger Gestalten Obdach gefunden hat und die Gegend mit Streichen und Feten beleben. Verführt durch einen Teufelspakt verbannen die Kavaliere zu Beginn des Romans die Majorin und übernehmen selbst die Herrschaft über die Gegend. Es beginnt das Jahr der Kavaliere, in dessen Verlauf Land und Leute zwar viel feiern, moralisch und wirtschaftlich ziemlich auf den Hund kommen.

Der Roman ist aus einer Vielzahl von Episoden zusammengesetzt. Die meisten von ihnen können auch ganz für sich stehen. Zusammengehalten werden die Geschichten durch den Schauplatz und das wiederkehrende Personal. Neben Gösta Berling sind da vor allem seine Liebschaften Marianne Sinclaire und die Gräfin Elisabeth sowie der Teufelsbündler Sintram und viele andere.

Kraftvoll erzählt


Was den Roman so überaus lesenswert macht, sind neben der großartigen Naturschilderung und den Reichtum an Details aus Leben und Sitten der Menschen im Värmland und der hohe Unterhaltungswert der Geschichten. Fast immer geht es um Verführungen und Verfehlungen und die rettende Kraft der Liebe. Jede einzelne Geschichte erzählt eine innere Umkehr, einen persönlichen Wendepunkt. Alles ist mit unglaublichen psychologischen Feinsinn geschildert.

Zwar ist der feierliche Grundton und die religiöse Grundstimmung anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Aber das legt sich spätestens nach der Vertreibung der Majorin, wenn der Episoden-Rhythmus in die Gänge kommt. Dann teilt sich dem Leser auch der durchaus begeisternde Impetus des Werkes mit: "Ach Gösta, ein Mann muss alles, was das Leben bietet, mit mutigem Herzen und lächelnden Lippen ertragen."

Gösta Berling ist eine echte Entdeckung, gehört sicher zu den stärksten Büchern dieses Lesejahres.

Mut und Freude! Es ist, als seien diese beiden die ersten Pflichten des Lebens.

Tuesday, November 05, 2013

Guy de Maupassant - Stark wie der Tod

Stark wie der Tod, so bezeichnet der berühmte Maler in dem Roman seine Leidenschaft zur Tochter der alternden Geliebten. Und stirbt dann auch, überrollt von einem Omnibus, als er verwirrt durch die Straßen von Paris geht.
Kaum ein Buch dieses Jahr, das sich klarer, flüssiger, leichter gelesen hätte. Und dabei eines der ältesten.


Friday, November 01, 2013

Ilse Helbich - Grenzland Zwischenland




Ganz erstaunliches Buch einer schon sehr alten Autorin, geboren 1923. Es geht um die hautnahe Erfahrung des Alterns sozusagen auf der letzten Meile und die Vorbereitung auf das Sterben, vielleicht schon das Sterben selbst. Das ganze aber sehr kühl, ohne Larmoyanz oder Sentimentalität, einfach die Beschreibung von Vorgängen durch ein reflektierendes, poetisches Bewusstsein. Dabei immer wieder Beschreibungen von anrührender Schönheit. Zum Beispiel sitzt die Erzählerin bei einem Aufenthalt in Davos, ihre Tochter liegt im nahen Sanatorium, wahrscheinlich stirbt sie, in der Totenkapelle und betrachtet das Fresko, auf welchem die Toten, gesehen von den noch Lebenden in eine paradiesleuchtende Leere eingehen. Sie erscheinen überlebensgroß, wenden sich nicht um. Und hier dann das entscheidende Detail:
Die Fußsohlen der Fortgehenden leuchten jedoch schon in einem goldenen Schimmern. 
Grenzland Zwischenland - ErkundungenVon Leuchtspuren dieser Art ist das ganze Buch durchwoben, während es zugleich schonungslos die Mühen der schwindenden Lebenskraft vor Augen führt: Die Augen geben keine vollständigen Bilder mehr, der Körper ist müde, fällt häufig, eckt überall an, Zähne fallen aus, Namen verblassen aus dem Gedächtnis. Bei all dem gibt es aber immer noch einen leisen Antrieb, der sich als die vitalste Ressource dieses Lebens erweist: das Schreiben.

Dem Verfall steht auf der anderen Seite eben diese unglaubliche Hellsichtigkeit gegenüber, die häufig schon etwas jenseitiges hat. Das sind Erfahrungen, die Ilse Helbich buchstäblich aus dem Grenzland Zwischenland birgt und vor uns hinstellt. Über Musikhören sagt sie zum Beispiel an einer Stelle:

Jetzt eine Musik anders hören. Sie anhören, als würde sie in diesem Augenblick geboren, und zwar aus mir. Dabei die Verfassung des sie zur Welt Bringenden deutlich mitfühlen, ohne Sentimentalität und nicht sich einfühlend in einen anderen, sondern selber in der Verfasstheit des die Musik von Augenblick zu Augenblick Gebärenden.
Und gleich danach beschreibt sie diesen Antrieb des Gestaltenden ganz explizit:
Vor dem Anblick einer Landschaft fallen mir oft Bilder ein, als Möglichkeit, wie einer das malen könnte, und jedes dieser Bilder ist ein Versuch, die quälende Unbeschreibbarkeit des Umgebenden, sein Da-sein, sein bloßes, eigenschaftsloses Da-sein durch die eigene bestimmte Sehensweise in den Griff zu bekommen.
Eine sehr starke Erfahrung, dieses Buch.