Der Shakespeare-Blues einmal mehr. Er kommt regelmäßig und lässt wieder nach, wenn ich ein, zwei Stücke gelesen habe. Das Wintermärchen also, aus den schönen und früher so emsig gelesenen Fried-Bänden. Eigentlich wollte ich ja hier die Handke-Übersetzung lesen, und ich weiß gar nicht warum ichs nicht getan habe, schließlich habe ich sie mir extra zugelegt. Dazu auch den Bloom zu Rate gezogen, ein Buch, dass in seiner Konzeption so ungemein ansprechend ist, wie in der Ausführung enttäuschend. Ich habe schon viel darin gelesen, aber ein Aha-Erlebnis hat es mir bislang nicht gerade vermitteln können. Kein Vergleich zur Hamlet-Auslegung von Schwanitz. Hätte er doch nur alle Stücke so kommentiert.
Das Wintermärchen also. Also, ok, es scheint ein besonderer Kniff von Shakespeare zu sein, plötzliche Obsessionen von Hauptdarstellern nicht mehr rational zu motivieren. So der Fall hier bei Leontes, dessen Eifersucht völlig überzogen scheint, ebenso, wie es keinen vernünftigen Grund gibt, warum Jago dem Othello so übel mitspielt. Mir fehlt da manchmal was. Wenn in einem Krimi stehen würde: Und plötzlich beschlich ihn rasende Eifersucht und er brachte alle um, ohne dass da vorher der Ton wenigstens versteckt angespielt wurde, dann kauft das der Leser in der Regel nicht. Andereseits ist zu viel Erklärung auch immer flach. Schließlich haben die Affekte oft irrationalen Ursprung.
Nun, wie auch immer. Das kenn ich jetzt auch.
Ein Blog über das Stöbern im Grenzland zwischen U und E. Ausflüge ins Landesinnere inklusive.
Thursday, March 26, 2009
Wednesday, March 18, 2009
Leyla - von Feridu Zaimoglu
Leyla ist ein geradezu klassischer Bildungsroman: Leyla, jüngste Tochter eines despotischen Vaters in einem anatolischen Dorf, wächst auf, lernt, tuschelt mit Freundinnen, lernt ihren Körper kennen und erschrickt dabei mehrfach, wird geschlagen, leidet unter ihrem Vater, leidet noch mehr unter ihrem Vater, liebt ihre Mutter ("eine dieser herausragenden Mutterfiguren"), zieht nach Istanbul, heiratet, wird ihren Vater los, muss wieder zurück, bekommt ein Kind, wird ihren Vater endgültig los, geht nach Deutschland...
- Die naive Erzählweise ist frisch, klar und immer angenehm. Die Detailfreude mag mancher "orientalisch" nennen, ist aber schlicht die Substanz des Buches.
- Der Prolog und der letzte Satz bringen eine ganz andere, metaphorische Ebene, ohne direkten Bezug zu der Geschichte. Das mag manchen verwirren. Ich mag solche blinden Flecken.
- Der Vater ist ein schrecklicher Tyran. Aber nicht nur das. Und wegen solcher Wendungen ist das Buch gut.
Omertá - Mario Puzo
Das klingt alles sehr stark nach Märchen. Es war einmal ein alter Pate der Mafia, der sterben musste. Er ließ die drei mächtigsten Obermafiosi zu sich kommen und vertraute einem von ihnen seinen einzigen Sohn an. Dieser Obermafiosi aber hatte schon drei Kinder, von denen er nicht wollte, dass sie mit den Übeln in Berührung kämen, die ihn reich und alt gemacht haben. Also bestimmte er den ihn anvertrauten Sohn des alten Paten zu seinem Nachfolger. Dann brach der Krieg aus...
Es hat Spaß gemacht. Vor allem beherrscht Puzo etwas, das mittlerweile gar nicht mehr in Mode ist, und zwar das Erzählen in Halbszenen und weiten Bögen.
Ein Mafia-Märchen eben. Spannend ja, aber auch ein wenig wie ein Wein, der so berühmt ist, dass er gut sein muss, der sich aber dann als ziemlich luftig erweist. Der Pate lächelt mit einem schlechten Kassengebiss.
(Bücher mit Weinen vergleichen - auch so ein Klischee.)
Friday, March 13, 2009
Ghost - von Robert Harris
Gerhard Schröder war kein CIA-Agent. Das ist ziemlich sicher. Wäre er CIA-Agent gewesen, dann wären im Irak-Krieg deutsche Schiffe im persischen Golf aufgetaucht und hätten Raketen auf Bagdad abgefeuert, hätten deutsche Leoparden und Tiger schlecht ausgerüstete Irakis durch die Wüste gejagt und BNDler leicht terrorismusverdächtige Mitbürger gewasserbrettert bis zum Herzstillstand.
Bei Tony Blair dürfen sich die Briten nicht so sicher sein. Bush's Dog nannte man ihn auch hämisch wegen seiner übertriebenen Bündnistreue gegenüber den Amerikanern. Viel hat er dabei nicht heraus holen können für sich und die Briten. Er selbst musste vorzeitig sein Amt an den Nagel hängen, U-Bahnen wurden in die Luft gesprengt, die Schlangen an den Sicherheitsschranken in den Flughäfen wurden immer länger. Nicht einmal Öl-Aufträge gab es für englischen Firmen.
Warum das ganze also dann? Hatte der Mann vielleicht ganz andere Prioritäten?
Die Frage stellt sich Robert Harris in seinem mit dem International Thriller Award ausgezeichneten Roman Ghost. Ghost, das ist ein Ghostwriter, der sein Geld bislang hauptsächlich mit den Autobiografien von Stars aus Show Biz und Sport verdient hat. Jetzt trägt ihm sein Agent eine ganz heiße Sache an: Die Memoiren Adam Langs, des ehemaligen britischen Premier-Ministers. Die Sache soll ihm nicht nur ziemlich viel Geld bringen, sie hat auch jede Menge Haken: Deadline ist in einem Monat und das verfügbare Material seines Vorgängers ist grottenschlecht; außerdem hat jener unter nicht ganz wasserdichten Umständen vor kurzem das Zeitliche gesegnet. Zudem fällt die Arbeitszeit just in die Phase, als die Juristen Adam Lang vor das Kriegsverbrecher -Tribunal in Den Haag bringen wollen, weil er angeblich die unrechtmäßige Verhaftung von Terrorverdächtigen durch die CIA angeordnet haben soll.
Schlecht für ihn, aber gut für die Publicity, daher halbiert der Verlag kurzerhand die eh schon halsbrecherische Abgabefrist. Doch diese Sorge gerät für den Ghost langsam in den Hintergrund. Denn er beginnt mit seinen eigenen Recherchen und entdeckt peu á peu allerhand, was den früheren Premier in immer düstereres Zwielicht taucht. Was hat den munteren Cambridgianer, der bis dato nichts mit Politik am Hut hatte, anno dazumal in die Partei getrieben? Wie konnte er so rasant an allen anderen vorbeiziehen, ohne eine eigene Lobby in der Partei zu haben? Warum verzapft er Märchen, was seine frühere Motivation angeht? Und wie ist sein treuer Mitarbeiter, der eigentlich mit der Abfassung der Memoiren betraut war, wirklich gestorben? Was ist dran, an den Vorwürfen der Verstrickungen mit CIA-Machenschaften?Auf einmal stinkt alles nur noch so nach Intrige, Verschwörung und dunklen Geheimdienstmachenschaften.
Dass das Buch macht ziemlich viel Spaß, liegt zum einen daran, dass es natürlich sehr spannend ist. Aber auch daran, dass es so nah an der jüngsten Geschichte angesiedelt ist. Man hat alles noch frisch vor Augen – die gemeinsamen Pressekonferenzen, leidenschaftliche Beteuerungen windschiefer Überzeugungen, die schwindelerregende Erosion der Glaubwürdigkeit.
Und dann kommt bei Harris noch etwas hinzu, das man in amerikanischen Thrillern dieses Kalibers eher selten findet: Humor. Ich will jetzt nicht reflexartig das Attribut „britisch“ davor setzen. Jedenfalls habe ich bei der Lektüre mehrmals laut gelacht. Was will man mehr?
("Was will man mehr?" - die Frage ist auch so sein Rezensionenreflex)
Bei Tony Blair dürfen sich die Briten nicht so sicher sein. Bush's Dog nannte man ihn auch hämisch wegen seiner übertriebenen Bündnistreue gegenüber den Amerikanern. Viel hat er dabei nicht heraus holen können für sich und die Briten. Er selbst musste vorzeitig sein Amt an den Nagel hängen, U-Bahnen wurden in die Luft gesprengt, die Schlangen an den Sicherheitsschranken in den Flughäfen wurden immer länger. Nicht einmal Öl-Aufträge gab es für englischen Firmen.
Warum das ganze also dann? Hatte der Mann vielleicht ganz andere Prioritäten?
Die Frage stellt sich Robert Harris in seinem mit dem International Thriller Award ausgezeichneten Roman Ghost. Ghost, das ist ein Ghostwriter, der sein Geld bislang hauptsächlich mit den Autobiografien von Stars aus Show Biz und Sport verdient hat. Jetzt trägt ihm sein Agent eine ganz heiße Sache an: Die Memoiren Adam Langs, des ehemaligen britischen Premier-Ministers. Die Sache soll ihm nicht nur ziemlich viel Geld bringen, sie hat auch jede Menge Haken: Deadline ist in einem Monat und das verfügbare Material seines Vorgängers ist grottenschlecht; außerdem hat jener unter nicht ganz wasserdichten Umständen vor kurzem das Zeitliche gesegnet. Zudem fällt die Arbeitszeit just in die Phase, als die Juristen Adam Lang vor das Kriegsverbrecher -Tribunal in Den Haag bringen wollen, weil er angeblich die unrechtmäßige Verhaftung von Terrorverdächtigen durch die CIA angeordnet haben soll.
Schlecht für ihn, aber gut für die Publicity, daher halbiert der Verlag kurzerhand die eh schon halsbrecherische Abgabefrist. Doch diese Sorge gerät für den Ghost langsam in den Hintergrund. Denn er beginnt mit seinen eigenen Recherchen und entdeckt peu á peu allerhand, was den früheren Premier in immer düstereres Zwielicht taucht. Was hat den munteren Cambridgianer, der bis dato nichts mit Politik am Hut hatte, anno dazumal in die Partei getrieben? Wie konnte er so rasant an allen anderen vorbeiziehen, ohne eine eigene Lobby in der Partei zu haben? Warum verzapft er Märchen, was seine frühere Motivation angeht? Und wie ist sein treuer Mitarbeiter, der eigentlich mit der Abfassung der Memoiren betraut war, wirklich gestorben? Was ist dran, an den Vorwürfen der Verstrickungen mit CIA-Machenschaften?Auf einmal stinkt alles nur noch so nach Intrige, Verschwörung und dunklen Geheimdienstmachenschaften.
Dass das Buch macht ziemlich viel Spaß, liegt zum einen daran, dass es natürlich sehr spannend ist. Aber auch daran, dass es so nah an der jüngsten Geschichte angesiedelt ist. Man hat alles noch frisch vor Augen – die gemeinsamen Pressekonferenzen, leidenschaftliche Beteuerungen windschiefer Überzeugungen, die schwindelerregende Erosion der Glaubwürdigkeit.
Und dann kommt bei Harris noch etwas hinzu, das man in amerikanischen Thrillern dieses Kalibers eher selten findet: Humor. Ich will jetzt nicht reflexartig das Attribut „britisch“ davor setzen. Jedenfalls habe ich bei der Lektüre mehrmals laut gelacht. Was will man mehr?
("Was will man mehr?" - die Frage ist auch so sein Rezensionenreflex)
Wednesday, March 04, 2009
Monster von Jonathan Kellermann
Erstand das Taschenbuch vor einiger Zeit auf dem Flohmarkt für 50 Cent. Seitdem hat es im Regal eine Weile laang Staub angesammelt. Letzten Freitag war es dann so weit und es wurde einer unergründlichen Laune folgend ausgewählt. So ist das mit dem Büchernarren. Er rafft zusammen, was geht. Man verspottet ihn oder hat bestenfalls Mitleid. "Das kannst du niemals alles lesen", sagen die Leute. Aber sie kommen alle dran, die Bücher, früher oder später. Nach einem unergründlichen Schema geraten sie unter die Augen des Lesers, werden geprüft, für gut befunden und verschlungen, oder endgültig beiseite geräumt.
Monster wurde verschlungen. Ein Mord an einer Psychologin, die in der Anstalt aller Anstalten ihren Dienst verrichetet. Die Spur führt zurück zu einem ungaublich grausigen Mehfachmord, für den das Monster verantwortlich gemacht wurde, das zuletzt Lieblingspatient der Psychologin war. Doch der konnte es nicht gewesen sein. Nach und nach entwirren Alex Delaware und Milo Irgendwas die Hintergründe...
Sehr gut sind natürlich die ganzen Gruselgestalten, die den Roman durchwandeln. Sehr schön auch das Porträt der Psychologin, deren Leben so völlig leer geräumt ist von buchstäblich allem, was man gemeinhin Seele nennt. Vor allem die überaus nüchterne Darstellungsart nimmt sehr für das Buch ein. Das ganze kommt einem vor, wie ein Aktenbericht. Man merkt auf jeder Seite, dass Kellermann vom Fach ist und r was die psychologischen Details betrifft keinen Mumpitz vom Stapel lässt.
Fazit: Psychologischer Roman in Reinkultur. Fein.
Tuesday, March 03, 2009
Frau am Bahnsteig
Am Bahnsteig zur U1 steht manchmal diese Frau und liest Zeitung. Die Passanten machen einen Bogen um sie. Um sie herum hat sie eine Menge prall gefüllter, teilweise zerschlissener Plastiktüten versammelt, aus denen Papier und Stofffetzen hervorsprießen. Ihr schwarzes Haar ist völlig verfiltzt. Sie scheint kein Alter zu haben.
Ihre Haltung: Sie steht nicht in, sondern auf ihren Schuhen. Die Strümpfe sind fleckig und haben Löcher. Die Beine sind dünn wie Stelzen, die Fersen berühren einander, so dass ihre Beine wie ein Bein wirken.
Wie ein Kranich steht sie unbeweglich zwischen den sich bewegenden und von Gedanken bewegten Menschen und liest Zeitung.
Ihre Haltung: Sie steht nicht in, sondern auf ihren Schuhen. Die Strümpfe sind fleckig und haben Löcher. Die Beine sind dünn wie Stelzen, die Fersen berühren einander, so dass ihre Beine wie ein Bein wirken.
Wie ein Kranich steht sie unbeweglich zwischen den sich bewegenden und von Gedanken bewegten Menschen und liest Zeitung.
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